Das Lumpengesindel (Grimm)
Die Einteilung in Kapitel ist redaktionell.
Das HĂ€hnchen und das HĂŒhnchen sammeln NĂŒsse
An einem schönen Tag schlug das HĂ€hnchen dem HĂŒhnchen vor, gemeinsam auf den Berg zu gehen und NĂŒsse zu sammeln, bevor das Eichhörnchen alle wegholen wĂŒrde. Das HĂŒhnchen stimmte freudig zu, und so machten sie sich zusammen auf den Weg.
»HĂ€hnchen sprach zum HĂŒhnchen âjetzt ist die Zeit, wo die NĂŒsse reif werden: da wollen wir zusammen auf den Berg gehen und uns einmal recht satt essen, ehe sie das Eichhorn alle wegholtâ.«
Der Streit um den Wagen und die Begegnung mit der Ente
Da es ein heller Tag war, blieben sie bis zum Abend auf dem Berg. Als sie sich auf den Heimweg machen wollten, wollte das HĂŒhnchen nicht zu FuĂ gehen. Das HĂ€hnchen musste einen kleinen Wagen aus Nussschalen bauen. Als der Wagen fertig war, setzte sich das HĂŒhnchen hinein und forderte das HĂ€hnchen auf, sich vorzuspannen.
Das HĂ€hnchen weigerte sich entschieden, den Wagen zu ziehen. Es wollte zwar Kutscher sein und auf dem Bock sitzen, aber selbst ziehen wollte es nicht. WĂ€hrend sie so stritten, kam eine Ente daher und beschimpfte sie als Diebe, die in ihren Nussberg eingedrungen waren.
»Du kommst mir recht«, sagte das HĂ€hnchen, »lieber geh ich zu FuĂ nach Haus, als daĂ ich mich vorspannen lasse: nein, so haben wir nicht gewettet. Kutscher will ich wohl sein und auf dem Bock sitzen, aber selbst ziehen, das thuâ ich nicht.«
Die Ente ging auf das HĂ€hnchen los, doch dieses wehrte sich tapfer und hackte mit seinem Sporn so gewaltig auf die Ente ein, dass sie um Gnade bat. Zur Strafe musste sich die Ente vor den Wagen spannen lassen. Das HĂ€hnchen setzte sich als Kutscher auf den Bock, und so fuhren sie davon.
Die Stecknadel und die NĂ€hnadel schlieĂen sich an
Als sie ein StĂŒck des Weges gefahren waren, begegneten sie zwei FuĂgĂ€ngern: einer Stecknadel und einer NĂ€hnadel. Diese riefen ihnen zu, dass es bald stockdunkel werden wĂŒrde und die StraĂe so schmutzig sei. Sie fragten, ob sie nicht ein wenig mitfahren könnten.
Sie erklĂ€rten, dass sie in der Schneiderherberge vor dem Tor gewesen waren und sich beim Bier verspĂ€tet hatten. Da die beiden mager waren und nicht viel Platz einnahmen, erlaubte das HĂ€hnchen ihnen einzusteigen. Sie mussten jedoch versprechen, dem HĂ€hnchen und dem HĂŒhnchen nicht auf die FĂŒĂe zu treten.
Die Ăbernachtung im Wirtshaus
Am spÀten Abend kamen sie zu einem Wirtshaus. Da sie nicht weiterfahren wollten und die Ente auch nicht gut zu Fuà war und von einer Seite auf die andere fiel, beschlossen sie, dort einzukehren. Der Wirt machte zunÀchst EinwÀnde, da sein Haus bereits voll war, und er dachte, es handle sich nicht um vornehme Herrschaften.
SchlieĂlich lieĂen sie sich mit sĂŒĂen Reden auf einen Handel ein: Der Wirt sollte das Ei bekommen, das das HĂŒhnchen unterwegs gelegt hatte, und er durfte die Ente behalten, die tĂ€glich ein Ei legte. Daraufhin erlaubte er ihnen, ĂŒber Nacht zu bleiben. Die GĂ€ste lieĂen sich gut bewirten und lebten in Saus und Braus.
Nun lieĂen sie frisch auftragen und lebten in Saus und Braus. FrĂŒh Morgens, als es erst dĂ€mmerte und noch alles schlief, weckte HĂ€hnchen das HĂŒhnchen, holte das Ei, pickte es auf, und sie verzehrten es zusammen.
Die Flucht und die Rache am Wirt
FrĂŒh am Morgen, als es gerade dĂ€mmerte und noch alle schliefen, weckte das HĂ€hnchen das HĂŒhnchen. Sie holten das Ei, pickten es auf und verzehrten es gemeinsam. Die Schalen warfen sie auf den Feuerherd. Dann gingen sie zur noch schlafenden NĂ€hnadel, packten sie beim Kopf und steckten sie in das Sesselkissen des Wirts.
Die Stecknadel steckten sie in sein Handtuch. Danach flogen sie ĂŒber die Heide davon. Die Ente, die gern unter freiem Himmel schlief und im Hof geblieben war, hörte sie fortschnurren. Sie machte sich munter, fand einen Bach und schwamm davon, was schneller ging als die Fahrt mit dem Wagen.
Ein paar Stunden spĂ€ter stand der Wirt auf, wusch sich und wollte sich am Handtuch abtrocknen. Da fuhr ihm die Stecknadel ĂŒber das Gesicht und hinterlieĂ einen roten Strich von einem Ohr zum anderen. Als er in die KĂŒche ging und sich eine Pfeife anzĂŒnden wollte, sprangen ihm die Eierschalen in die Augen.
VerĂ€rgert setzte er sich auf seinen GroĂvaterstuhl, doch sofort fuhr er wieder hoch und schrie vor Schmerz, denn die NĂ€hnadel hatte ihn gestochen. Nun war er endgĂŒltig wĂŒtend und verdĂ€chtigte die GĂ€ste, die am Vorabend so spĂ€t gekommen waren. Doch als er nach ihnen suchte, waren sie lĂ€ngst fort.
Da that er einen Schwur, kein Lumpengesindel mehr in sein Haus zu nehmen, das viel verzehrt, nichts bezahlt, und zum Dank noch obendrein Schabernack treibt.