Das wohlfeile Mittagessen (Hebel)
Die Einteilung in Kapitel ist redaktionell.
Das Sprichwort und die EinfĂŒhrung des Löwenwirts
Die Geschichte begann mit einem alten Sprichwort: Wer anderen eine Grube grÀbt, fÀllt selbst hinein. Doch der Löwenwirt in einem kleinen StÀdtchen befand sich bereits in einer solchen Grube, noch bevor die eigentliche Geschichte anfing.
Es ist ein altes Sprichwort: Wer andern eine Grube grĂ€bt, fĂ€llt selber darein. â Aber der Löwenwirt in einem gewissen StĂ€dtlein war schon vorher darin.
Die List des Gastes und seine Bestellung
Eines Tages betrat ein gut gekleideter Gast das Gasthaus des Löwenwirts. Mit kurzen, trotzigen Worten verlangte er fĂŒr sein Geld eine gute Fleischsuppe. Nachdem er diese erhalten hatte, forderte er auch noch ein StĂŒck Rindfleisch und GemĂŒse fĂŒr sein Geld.
Der höfliche Wirt fragte, ob der Gast nicht auch ein Glas Wein wĂŒnsche. Der Gast bejahte dies freudig und betonte erneut, dass er etwas Gutes fĂŒr sein Geld haben wolle. Er lieĂ sich alle Speisen gut schmecken und genoss sein Mahl in vollen ZĂŒgen.
Nach dem Essen zog der Gast jedoch nur einen abgeschliffenen Sechser aus der Tasche und erklĂ€rte dem Wirt, dies sei sein Geld. Der ĂŒberraschte Wirt entgegnete, dass der Gast ihm doch einen Taler schuldig sei. Doch der schlaue Gast erwiderte, er habe nie fĂŒr einen Taler Speisen verlangt, sondern nur fĂŒr sein Geld - und hier sei nun sein Geld.
»Ich habe fĂŒr keinen Taler Speise von Euch verlangt, sondern fĂŒr mein Geld. Hier ist mein Geld. Mehr hab' ich nicht. Habt Ihr mir zu viel dafĂŒr gegeben, so ist's Eure Schuld.«
Der Gegenangriff des Wirts
Der Einfall des Gastes war nicht besonders originell. Es gehörte nur UnverschĂ€mtheit und ein unbeschwertes GemĂŒt dazu, ohne sich darum zu kĂŒmmern, wie die Sache ausgehen wĂŒrde. Doch das Beste kam noch.
Der Löwenwirt nannte den Gast einen durchtriebenen Schalk und meinte, er hĂ€tte eigentlich eine andere Behandlung verdient. Doch ĂŒberraschenderweise schenkte er dem Gast nicht nur das Mittagessen, sondern gab ihm auch noch ein VierundzwanzigkreuzerstĂŒck dazu.
Es gab jedoch eine Bedingung: Der Gast sollte schweigen und zum Nachbarn des Löwenwirts, dem BĂ€renwirt, gehen und dort denselben Trick anwenden. Der Löwenwirt machte diesen Vorschlag, weil er mit seinem Nachbarn in Unfrieden lebte und ihm gerne jeden Schaden und jede Schmach zufĂŒgen wollte.
Die Ăberraschende EnthĂŒllung und die Moral
Der schlaue Gast griff lĂ€chelnd mit einer Hand nach dem angebotenen Geld und mit der anderen vorsichtig nach der TĂŒre. Er wĂŒnschte dem Wirt einen guten Abend und offenbarte ihm dann die ĂŒberraschende Wahrheit: Er sei bereits beim BĂ€renwirt gewesen, und genau dieser habe ihn zum Löwenwirt geschickt.
»Bei Eurem Nachbarn, dem Herrn BÀrenwirt, bin ich schon gewesen, und eben der hat mich zu Euch geschickt und kein anderer.« So waren im Grunde beide hintergangen, und der dritte hatte den Nutzen davon.
So wurden im Grunde beide Wirte hintergangen, und der listige Gast hatte den Nutzen davon. Doch der ErzÀhler bemerkte, dass der schlaue Kunde sich eigentlich einen Dank von beiden Wirten verdient hÀtte, wenn sie aus dieser Begebenheit eine gute Lehre gezogen und sich miteinander versöhnt hÀtten.
Die Geschichte endete mit einer weisen Moral: Frieden ernÀhrt, aber Unfrieden verzehrt. Diese Lehre sollte den beiden verfeindeten Wirten zeigen, dass ihre Feindschaft ihnen nur schadete, wÀhrend andere davon profitierten.
Aber der listige Kunde hÀtte sich noch obendrein einen schönen Dank von beiden verdient, wenn sie eine gute Lehre daraus gezogen und sich miteinander ausgesöhnt hÀtten. Denn Frieden ernÀhrt, aber Unfrieden verzehrt.