Sehr kurze Zusammenfassung
Die verarmte Kleinstadt Güllen in den 1950er Jahren. Die Einwohner erwarteten den Besuch der Multimilliardärin Claire Zachanassian, die als junges Mädchen hier aufgewachsen war.
Claire kam in Begleitung ihres achten Ehemanns und eines grotesken Gefolges in die Stadt. Sie machte den Bürgern ein unmoralisches Angebot: Eine Milliarde für die Stadt, wenn jemand Alfred Ill tötet - ihren ehemaligen Geliebten, der sie vor 45 Jahren schwanger sitzen ließ und durch Bestechung zweier Zeugen verleumdete.
Die Bürger lehnten das Angebot zunächst empört ab. Doch nach und nach begannen sie, auf Kredit zu leben und sich teure Dinge zu leisten. Ill erkannte, dass die Stadt seinem Tod entgegenstrebte.
CLAIRE ZACHANASSIAN: Die Menschlichkeit, meine Herren, ist für die Börse der Millionäre geschaffen, mit meiner Finanzkraft leistet man sich eine Weltordnung. Die Welt machte mich zu einer Hure, nun mache ich sie zu einem Bordell.
Ein Fluchtversuch Ills scheiterte, da die Bürger ihn daran hinderten. In einer Gemeindeversammlung, die als demokratischer Akt inszeniert wurde, verurteilten sie Ill zum Tode - offiziell 'im Namen der Gerechtigkeit'. Ill akzeptierte sein Schicksal und wurde von den Bürgern getötet.
Claire ließ Ills Leichnam in einen mitgebrachten Sarg legen und in ihr Mausoleum nach Capri überführen. Die Stadt erhielt ihre Milliarde und verwandelte sich in einen prosperierenden Ort. Die Bürger feierten ihren neu gewonnenen Wohlstand, während sie ihre Tat mit dem Mantel der Gerechtigkeit verhüllten.
Ausführliche Zusammenfassung nach Akten
Die Titel der Akte und ihre Unterteilung in Szenen sind redaktionell.
Erster Akt. Die Ankunft der Milliardärin
Die Vorbereitungen am Bahnhof
In der heruntergekommenen Kleinstadt Güllen versammelten sich die Einwohner am Bahnhof. Sie erwarteten den Besuch von Claire Zachanassian, einer ehemaligen Mitbürgerin, die nun eine steinreiche Milliardärin war. Die Stadt befand sich in einer wirtschaftlichen Krise - die Fabriken waren geschlossen, die Arbeitslosigkeit hoch, und selbst die Schnellzüge hielten nicht mehr in Güllen.
Der Krämer Alfred Ill, der als junger Mann eine Liebesbeziehung mit Claire hatte, sollte eine zentrale Rolle bei ihrem Empfang spielen. Die Stadtoberen hofften, dass er seinen Einfluss auf die Milliardärin nutzen könnte, um finanzielle Unterstützung für die Stadt zu gewinnen.
Claire Zachanassians überraschende Ankunft
Entgegen aller Erwartungen zog Claire Zachanassian die Notbremse des D-Zuges und stieg in Güllen aus. Sie erschien in Begleitung ihres siebten Ehemanns, eines Butlers und zweier seltsamer Gestalten - Koby und Loby. Ihr Gefolge trug einen schwarzen Sarg mit sich.
Das tödliche Angebot
Beim Festessen im 'Goldenen Apostel' machte Claire Zachanassian der Stadt ein ungeheuerliches Angebot: Sie würde der Gemeinde eine Milliarde schenken - die Hälfte der Stadt, die andere Hälfte verteilt unter den Familien. Die einzige Bedingung: Sie verlangte Gerechtigkeit - den Tod von Alfred Ill.
CLAIRE ZACHANASSIAN: Ich liebte dich. Du hast mich verraten. Doch den Traum von Leben, von Liebe, von Vertrauen, diesen einst wirklichen Traum habe ich nicht vergessen. Ich will ihn wieder errichten mit meinen Milliarden.
Es stellte sich heraus, dass Claire als junges Mädchen von Ill schwanger gewesen war. Er hatte jedoch die Vaterschaft geleugnet und zwei falsche Zeugen bestochen - eben jene Koby und Loby. Claire musste die Stadt verlassen und wurde zur Prostituierten. Ihr Kind starb nach einem Jahr. Nun war sie zurückgekehrt, um Rache zu nehmen. Die Güllener lehnten ihr Angebot zunächst empört ab.
Zweiter Akt. Die wachsende Bedrohung
Ills wachsende Angst
Ill begann zu bemerken, dass die Güllener ihr Verhalten änderten. Sie kauften teure Waren auf Kredit und trugen plötzlich neue gelbe Schuhe. In seiner wachsenden Verzweiflung suchte er Hilfe bei den Autoritäten der Stadt. Doch weder der Polizist, der einen neuen Goldzahn trug, noch der Bürgermeister oder der Pfarrer boten ihm echten Schutz.
DER LEHRER: Man wird Sie töten. Ich weiß es, von Anfang an, und auch Sie wissen es schon lange, auch wenn es in Güllen sonst niemand wahrhaben will. Die Versuchung ist zu groß und unsere Armut zu bitter.
Die Stadt im Wandel
Während die Stadt sich äußerlich veränderte und die Menschen sich neue Konsumgüter leisteten, wurde Ill zunehmend isoliert. Seine eigene Familie, seine Frau Mathilde und die Kinder, begannen sich von ihm zu distanzieren. Sie genossen den neuen Wohlstand und verdrängten die moralischen Implikationen.
ILL: Ich bin durch eine Hölle gegangen. Ich sah, wie ihr Schulden machtet, spürte bei jedem Anzeichen des Wohlstands den Tod näher kriechen. Hättet ihr mir diese Angst erspart, dieses grauenhafte Fürchten...
Der gescheiterte Fluchtversuch
In seiner Verzweiflung versuchte Ill, mit dem Zug aus Güllen zu fliehen. Die Bürger begleiteten ihn scheinbar wohlwollend zum Bahnhof. Doch ihre bedrohliche Präsenz machte deutlich, dass sie seine Flucht verhindern würden. Ill erkannte, dass er in der Falle saß.
ILL: Ihr alle wartet. Eure Hoffnung war ein Wahn, euer Ausharren sinnlos, eure Aufopferung Dummheit, euer ganzes Leben nutzlos vertan. Ihr wollt mich töten, ich klage nicht, protestiere nicht, wehre mich nicht.
Dritter Akt. Das unausweichliche Ende
Ills letzte Stunden
In seinen letzten Stunden traf Ill noch einmal auf Claire im Konradsweilerwald, wo sie sich früher als Liebende getroffen hatten. In einem bewegenden Gespräch wurde deutlich, dass Claire trotz ihrer Rachsucht die gemeinsame Vergangenheit nicht vergessen hatte. Sie kündigte an, Ills Leichnam in einem Mausoleum in Capri beizusetzen.
CLAIRE ZACHANASSIAN: Ich werde dich in deinem Sarg nach Capri bringen. Ließ ein Mausoleum errichten im Park meines Palazzos. Von Zypressen umgeben. Mit Blick aufs Mittelmeer. Dort wirst du bleiben. Bei mir.
Die Gemeindeversammlung
Die Stadt berief eine Gemeindeversammlung ein, zu der auch Presse und Fernsehen eingeladen waren. Der Lehrer, inzwischen dem Alkohol verfallen, war der einzige, der die moralische Verwerflichkeit des Geschehens noch erkannte. Doch auch er war machtlos gegen die kollektive Entscheidung.
Die Versammlung wurde als demokratischer Akt inszeniert, bei dem offiziell über eine 'Zachanassian-Stiftung' abgestimmt wurde. Der wahre Grund - die Ermordung Ills - wurde in euphemistische Formulierungen gekleidet. Ill selbst hatte seine Ermordung bereits akzeptiert und war bereit, das 'Urteil' anzunehmen.
DER BÜRGERMEISTER: Nicht des Geldes, sondern der Gerechtigkeit wegen und aus Gewissensnot. Denn wir können nicht leben, wenn wir ein Verbrechen unter uns dulden, welches wir ausrotten müssen.
Triumph der Gerechtigkeit
Die Bürger umringten Ill und töteten ihn gemeinsam. Der Arzt stellte 'Herzschlag' als Todesursache fest. Die Presse wurde mit der Geschichte einer großzügigen Stiftung für die Stadt abgespeist. Claire ließ den Sarg mit Ills Leichnam in ihr Flugzeug laden und verließ Güllen.
Die Güllener feierten ihre neue Prosperität mit einem Chorgesang, der ihre moralische Verkommenheit nur noch deutlicher machte. Sie hatten sich für materiellen Wohlstand entschieden und ihre Menschlichkeit verkauft. Die Stadt war nun reich, aber ihre Seele war verloren.