Der Erlkönig (Goethe)
Die Einteilung in Abschnitte ist redaktionell.
Die nächtliche Reise: Ein Vater mit seinem Kind
In der Ballade “Der Erlkönig” ritt ein Vater mit seinem Kind durch die Nacht und den Wind. Er hielt seinen Sohn fest im Arm, umschloss ihn sicher und wärmte ihn. Der Junge wirkte verängstigt und versteckte sein Gesicht. Als der Vater ihn fragte, warum er so ängstlich sei, antwortete der Sohn, dass er den Erlkönig mit Krone und Schweif sehe. Der Vater beruhigte ihn und erklärte, es sei nur ein Nebelstreif.
Die ersten Erscheinungen und Versprechungen des Erlkönigs
Plötzlich hörte das Kind die Stimme des Erlkönigs, der es zu sich lockte. Der Erlkönig versprach dem Jungen schöne Spiele und bunte Blumen am Strand. Er erwähnte auch, dass seine Mutter goldene Gewänder besitze. Der Vater konnte die Stimme nicht hören und versuchte, seinen Sohn zu beruhigen, indem er sagte, es sei nur der Wind, der in den dürren Blättern säuselt.
“Du liebes Kind, komm, geh mit mir!
Gar schöne Spiele spiel ich mit dir;
Manch bunte Blumen sind an dem Strand,
Meine Mutter hat manch gülden Gewand.”
Der Junge fragte seinen Vater erneut, ob er nicht höre, was der Erlkönig ihm leise verspreche. Doch der Vater blieb bei seiner rationalen Erklärung und bat seinen Sohn, ruhig zu bleiben. Er versicherte ihm, dass es nur der Wind sei, der in den trockenen Blättern raschelt.
Zunehmende Drohungen und die wachsende Angst des Kindes
Der Erlkönig wurde in seinen Versuchen, das Kind zu locken, immer eindringlicher. Er bot dem Jungen an, mit ihm zu gehen und versprach, dass seine Töchter auf ihn warten würden. Diese Töchter würden nachts tanzen, ihn wiegen, tanzen und in den Schlaf singen. Das Kind sah die Töchter des Erlkönigs an einem düsteren Ort, doch der Vater behauptete, es seien nur alte Weiden, die grau schimmerten.
Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Erlkönigs Töchter am düstern Ort? -
Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau:
Es scheinen die alten Weiden so grau.
Schließlich wurde der Erlkönig bedrohlicher und erklärte dem Kind seine Liebe. Er sagte, dass ihn die schöne Gestalt des Kindes reize und drohte mit Gewalt, falls der Junge nicht freiwillig mitkommen wolle. Das Kind schrie voller Angst zu seinem Vater, dass der Erlkönig es anfasse und ihm Leid zufüge.
Der tragische Ausgang
Dem Vater graute es, als er die Angst seines Kindes bemerkte. Er ritt schneller, um dem unheimlichen Ort zu entkommen. In seinen Armen hielt er das ächzende Kind. Mit Mühe und Not erreichte er schließlich den Hof, doch es war zu spät: In seinen Armen hielt er sein totes Kind.
Dem Vater grausets, er reitet geschwind,
Er hält in Armen das ächzende Kind,
Erreicht den Hof mit Mühe und Not;
In seinen Armen das Kind war tot.
Die Ballade endet mit dieser tragischen Szene. Es bleibt offen, ob das Kind tatsächlich vom Erlkönig geholt wurde, wie es in seiner Fieberphantasie glaubte, oder ob es an seiner Krankheit starb. Der Vater, der die übernatürliche Bedrohung nicht wahrnehmen konnte und stets rationale Erklärungen für die Ängste seines Kindes fand, musste am Ende hilflos den Tod seines Sohnes erleben.
Goethes “Erlkönig” von 1782 thematisiert den Konflikt zwischen der rationalen Weltsicht des Vaters und der von Fieber und Angst geprägten Wahrnehmung des Kindes. Die Ballade zeigt die Machtlosigkeit des Menschen gegenüber übernatürlichen Kräften oder dem Tod und die Grenzen der Vernunft in Momenten existenzieller Bedrohung.