Der Jude im Dorn (Grimm)
Sehr kurze Zusammenfassung
In einer Märchenwelt diente ein Knecht drei Jahre lang gewissenhaft seinem geizigen Herrn, erhielt aber nur drei Heller Lohn. Zufrieden und sorglos zog er trotzdem weiter.
Unterwegs schenkte er aus Mitleid einem armen Männchen seine drei Heller, erhielt zur Belohnung eine Wundergeige, die jeden zum Tanzen zwang, sowie ein zauberhaftes Vogelrohr. Bald traf der Knecht einen Juden, der einen singenden Vogel begehrte, den der Knecht mit seinem Rohr abschoss. Als der Jude den Vogel aus einer Dornenhecke holen wollte, begann der Knecht zu geigen und zwang ihn tanzend tiefer ins Gestrüpp.
Um den Knecht zum Aufhören zu bewegen, gab der Jude ihm einen Beutel Gold, klagte ihn anschließend aber beim Richter des Diebstahls an. Zur Hinrichtung verurteilt, erhielt der Knecht die Erlaubnis, ein letztes Mal Geige zu spielen: „Und je länger er spielte, desto höher sprangen die Tänzer, daß sie sich einander an die Köpfe stießen und anfiengen jämmerlich zu schreien. Endlich rief der Richter ganz außer Athem »ich schenke dir dein Leben, höre nur auf zu geigen«.“ So rettete sich der Knecht, und der Jude wurde gehängt.
Und je länger er spielte, desto höher sprangen die Tänzer, daß sie sich einander an die Köpfe stießen und anfiengen jämmerlich zu schreien. Endlich rief der Richter ganz außer Athem »ich schenke dir dein Leben, höre nur auf zu geigen«.
Ausführliche Zusammenfassung
Die Einteilung in Kapitel ist redaktionell.
Der fleißige Knecht und sein geiziger Herr
Es gab einmal einen reichen Mann, der einen sehr fleißigen Knecht beschäftigte. Dieser Knecht arbeitete unermüdlich, war morgens der erste und abends der letzte, und übernahm bereitwillig auch die schwersten Arbeiten. Er klagte nie und war stets zufrieden und fröhlich.
Nach einem Jahr verweigerte ihm sein Herr den verdienten Lohn, in der Hoffnung, dass der Knecht weiter für ihn arbeiten würde. Der Knecht schwieg und arbeitete ein weiteres Jahr. Als er auch nach dem zweiten Jahr keinen Lohn erhielt, blieb er dennoch. Nach dem dritten Jahr forderte er schließlich seinen Lohn, da er in die Welt hinausziehen wollte.
Als sein Jahr herum war, gab ihm der Herr keinen Lohn und dachte »das ist das gescheidtste, so spare ich etwas und er geht mir nicht weg, sondern bleibt hübsch im Dienst«. Der Knecht schwieg auch still, that das zweite Jahr wie das erste seine Arbeit.
Der geizige Herr gab ihm schließlich nur drei Heller, einen für jedes Jahr. Der Knecht, der vom Geld wenig verstand, nahm die Münzen und zog fröhlich singend und springend in die Welt hinaus.
Begegnung mit dem Männchen und die drei Wünsche
Als der Knecht an einem Buschwerk vorbeikam, trat ein kleines Männchen hervor und sprach ihn an. Es fragte nach seinem Reichtum, und der Knecht antwortete ehrlich, dass er drei Heller besitze. Das Männchen bat ihn um die Münzen, da es arm sei und nicht mehr arbeiten könne.
Der gutmütige Knecht hatte Mitleid und gab dem Männchen seine drei Heller. Zum Dank gewährte ihm das Männchen drei Wünsche, einen für jeden Heller. Der Knecht wünschte sich ein Vogelrohr, das immer trifft, eine Fidel, zu deren Klang alle tanzen müssen, und dass keine seiner Bitten abgeschlagen werden könne.
»Weil ich dein gutes Herz sehe, so gewähre ich dir drei Wünsche, für jeden Heller einen, die sollen dir in Erfüllung gehen«. »Aha«, sprach der Knecht, »du bist einer, der blau pfeifen kann. Wohlan, wenns doch sein soll, so wünsche ich mir...«
Das Männchen erfüllte ihm sofort alle Wünsche und überreichte ihm Fidel und Vogelrohr. Mit diesen Gaben zog der Knecht fröhlich weiter.
Der Jude im Dornbusch und die Macht der Fidel
Bald darauf begegnete der Knecht einem Juden mit langem Ziegenbart, der dem Gesang eines Vogels lauschte. Der Jude wünschte sich den Vogel, und der Knecht bot an, ihn mit seinem Vogelrohr herunterzuschießen. Er traf den Vogel, der in eine Dornhecke fiel.
Der Knecht forderte den Juden auf, den Vogel aus den Dornen zu holen. Als der Jude mitten im Dornbusch steckte, nahm der Knecht seine Fidel und begann zu spielen. Sofort musste der Jude tanzen, wobei die Dornen seinen Rock zerrissen und ihn am ganzen Körper stachen und zwickten.
Der Jude flehte den Knecht an, mit dem Spielen aufzuhören, doch dieser dachte nur, dass der Jude genug Menschen geschunden habe und nun selbst leiden solle. Erst als der Jude ihm einen Beutel mit Gold anbot, hörte der Knecht auf zu spielen und ging mit dem Beutel davon.
»Mein«, rief der Jude, »was soll mir das Geigen! laß der Herr das Geigen, ich begehre nicht zu tanzen.« Aber der Knecht hört〈e〉 nicht darauf und dachte »du hast die Leute genug geschunden, nun soll dirs die Dornhecke nicht besser machen«
Nachdem der Knecht außer Sichtweite war, begann der Jude zu schimpfen und zu fluchen. Dann lief er zum Richter in der Stadt und klagte, dass er auf offener Landstraße beraubt und misshandelt worden sei.
Die Anklage und der Prozess gegen den Knecht
Der Jude beschrieb dem Richter den Täter als einen Mann mit einem Rohr auf dem Rücken und einer Geige am Hals. Der Richter schickte seine Leute aus, die den Knecht fanden und vor Gericht brachten. Dort wurde auch der Beutel mit Gold bei ihm gefunden.
Der Knecht verteidigte sich und erklärte, dass der Jude ihm das Gold freiwillig gegeben habe, damit er aufhöre zu spielen. Der Richter glaubte ihm nicht und verurteilte ihn zum Tode durch den Galgen, da er auf offener Straße einen Raub begangen hätte.
Als der Knecht zur Hinrichtung geführt wurde, verhöhnte ihn der Jude noch. Auf der letzten Sprosse der Leiter bat der Knecht den Richter um eine letzte Bitte: noch einmal auf seiner Geige spielen zu dürfen. Der Jude protestierte heftig, aber der Richter gewährte dem Knecht diesen letzten Wunsch.
Gerechtigkeit durch Musik: Die Wahrheit kommt ans Licht
Der Jude bat verzweifelt, ihn festzubinden, doch als der Knecht den ersten Strich auf seiner Geige tat, begannen alle zu wanken und zu tanzen: der Richter, die Schreiber, die Gerichtsdiener und sogar derjenige, der den Juden festbinden wollte. Beim zweiten Strich hoben alle die Beine, und der Henker ließ den Knecht los.
Beim dritten Strich sprangen alle in die Höhe und begannen zu tanzen. Auch die Zuschauer auf dem Markt und sogar die Hunde tanzten mit. Je länger der Knecht spielte, desto höher sprangen die Tänzer, bis sie sich gegenseitig an die Köpfe stießen und zu schreien begannen.
Da nahm der gute Knecht seine Geige vom Hals, legte sie zurecht, und wie er den ersten Strich that, fieng alles an zu wabern und zu wanken, der Richter, die Schreiber und die Gerichtsdiener, und dem, der den Juden festbinden wollte, fiel der Strick aus der Hand.
Schließlich bat der Richter außer Atem um Gnade und versprach dem Knecht das Leben zu schenken, wenn er nur aufhöre zu spielen. Der Knecht ließ sich erweichen und hörte auf. Dann ging er zum Juden, der erschöpft am Boden lag, und drohte ihm, wieder zu spielen, wenn er nicht gestehe, woher er das Gold habe.
Der Jude gestand sofort, dass er das Gold gestohlen hatte, und fügte hinzu, dass der Knecht es redlich verdient habe. Daraufhin ließ der Richter den Juden zum Galgen führen und als Dieb aufhängen.