Der treue Johannes (Grimm)
Sehr kurzes Inhaltsverzeichnis
Märchenhaftes Königreich, unbestimmte Zeit. Ein alter König lag sterbend und bat seinen Diener Johannes, sich seines Sohnes anzunehmen. Nach dem Tod des Königs führte Johannes den jungen König durchs Schloss, verheimlichte aber eine geheimnisvolle Kammer. Der König bestand jedoch darauf, sie zu öffnen, sah dort das Bildnis der Königstochter vom goldenen Dache und verliebte sich sofort in sie.
Getarnt als Kaufleute, entführten Johannes und der junge König die schöne Prinzessin, die sich schließlich freiwillig mit dem König verlobte. Johannes, kundig der Rabensprache, rettete seinem Herrn mehrfach das Leben, erschien jedoch dabei als Verräter und sollte hingerichtet werden. Als Johannes überraschend das Geheimnis offenbarte, erstarrte er promp zu Stein. Aus Reue versuchte der König ihn zu erlösen.
Der König erschrak, als er hörte, daß er seine liebsten Kinder selbst tödten sollte, doch dachte er an die große Treue, und daß der getreue Johannes für ihn gestorben war, zog sein Schwert und hieb mit eigener Hand den Kindern den Kopf ab.
Dies rettete Johannes tatsächlich. Dankbar machte er die Kinder auf wundersame Weise wieder lebendig, und die Königsfamilie lebte glücklich bis an ihr Ende.
Ausführliche Zusammenfassung
Die Einteilung in Kapitel ist redaktionell.
Der sterbende König und sein letzter Wunsch
Ein alter König lag im Sterben und rief seinen liebsten Diener, den treuen Johannes, zu sich. Er sorgte sich um seinen jungen Sohn, der bald den Thron erben würde, und bat Johannes, ihm nach seinem Tod als Ratgeber und Pflegevater zur Seite zu stehen.
“Ich will ihn nicht verlassen, und will ihm mit Treue dienen, wenns auch mein Leben kostet”. Da sagte der alte König “so sterb ich getrost und in Frieden”.
Der König warnte Johannes, seinem Sohn nicht die letzte Kammer im langen Gang zu zeigen, in der das Bild der Königstochter vom goldenen Dache stand. Würde der Prinz dieses Bild sehen, würde er in heftige Liebe zu ihr entbrennen und in große Gefahr geraten. Nachdem Johannes sein Versprechen gegeben hatte, starb der alte König.
Die verbotene Kammer und das Bild der Königstochter
Nach der Beerdigung des alten Königs erinnerte der treue Johannes den jungen König an das Versprechen, das er seinem Vater gegeben hatte. Er führte den jungen Herrscher durch das Schloss und zeigte ihm alle Kammern mit ihren Schätzen, nur die verbotene Kammer ließ er aus.
Der junge König bemerkte jedoch, dass Johannes immer an einer bestimmten Tür vorüberging. Von Neugier getrieben, bestand er darauf, auch diese Kammer zu sehen. Trotz Johannes' Warnungen drohte der König, keine Ruhe zu finden, bis er den Raum gesehen hätte. Schweren Herzens gab Johannes nach und öffnete die Tür.
Als der König das wunderschöne Bildnis der Königstochter vom goldenen Dache erblickte, fiel er ohnmächtig zu Boden. Johannes brachte ihn zu Bett, und als der König wieder zu sich kam, erklärte er seine tiefe Liebe zu der Prinzessin und bat Johannes um Hilfe, sie zu gewinnen.
“Meine Liebe zu ihr ist so groß, wenn alle Blätter an den Bäumen Zungen wären, sie könntens nicht aussagen; mein Leben setze ich daran, daß ich sie erlange. Du bist mein getreuester Johannes, du mußt mir beistehen”.
Die Reise zur Königstochter vom goldenen Dache
Nach langem Nachdenken ersann Johannes einen Plan. Er ließ Goldschmiede kostbare Gefäße und wunderbare Tierfiguren aus Gold anfertigen, da die Königstochter Gold über alles liebte. Mit diesen Schätzen beluden sie ein Schiff und verkleideten sich als Kaufleute, um unerkannt zu bleiben.
Als sie die Stadt der Königstochter erreichten, blieb der König auf dem Schiff, während Johannes mit einigen Goldwaren zum Schloss ging. Am Brunnen traf er ein Mädchen mit goldenen Eimern, das sich als Kammerjungfer der Prinzessin herausstellte.
Beeindruckt von den Goldwaren führte sie Johannes zur Königstochter, die sofort alles kaufen wollte. Johannes erklärte, er sei nur ein Diener und auf dem Schiff befänden sich noch viel kostbarere Schätze. Neugierig geworden, beschloss die Prinzessin, das Schiff selbst zu besichtigen.
Auf dem Schiff zeigte der König ihr alle Kostbarkeiten, während Johannes heimlich befahl, die Segel zu setzen. Als die Prinzessin bemerkte, dass sie entführt wurde, erschrak sie zunächst. Doch als der König ihr gestand, dass er sie aus Liebe entführt hatte, beruhigte sie sich und willigte ein, seine Gemahlin zu werden.
Die Prophezeiung der Raben und die drei Gefahren
Während der Heimreise saß Johannes vorne auf dem Schiff und spielte Musik. Plötzlich bemerkte er drei Raben, die über das Schiff flogen. Da er die Sprache der Vögel verstand, hörte er, wie sie über drei Gefahren sprachen, die dem jungen Königspaar drohten.
Die erste Gefahr: Ein fuchsrotes Pferd würde dem König bei der Ankunft entgegenspringen. Würde er aufsteigen, trüge es ihn fort in die Luft. Nur wenn jemand anderes schnell aufstiege und das Pferd erschösse, könnte der König gerettet werden. Doch wer dies täte, würde von den Fußzehen bis zum Knie zu Stein.
Die zweite Gefahr: Im Schloss läge ein Brauthemd aus Schwefel und Pech, das wie Gold und Silber aussähe. Würde der König es anziehen, verbrennte er bis auf Mark und Knochen. Nur wenn jemand mit Handschuhen das Hemd ins Feuer würfe, wäre der König gerettet. Doch dieser Helfer würde vom Knie bis zum Herzen zu Stein.
Die dritte Gefahr: Während des Hochzeitstanzes würde die Königin plötzlich wie tot umfallen. Nur wenn jemand drei Blutstropfen aus ihrer rechten Brust saugte und ausspuckte, könnte sie gerettet werden. Doch dieser Retter würde ganz zu Stein.
Johannes wusste nun, dass er seinen Herrn nur unter Opferung seines eigenen Lebens retten konnte. Dennoch beschloss er, treu zu bleiben und den König zu schützen.
Johannes wird zu Stein und der König trauert
Bei ihrer Ankunft geschah alles wie vorhergesagt. Als das fuchsrote Pferd erschien, sprang Johannes schnell auf, erschoss es und wurde bis zum Knie zu Stein. Der König vertraute seinem treuen Diener und ließ ihn gewähren.
Im Schloss warf Johannes das gefährliche Brauthemd ins Feuer und versteinerte bis zum Herzen. Während des Hochzeitstanzes fiel die Königin wie tot um. Johannes saugte die drei Blutstropfen aus ihrer Brust und rettete ihr Leben, wurde aber vollständig zu Stein.
Der König, der die Gründe für Johannes' Handeln nicht kannte, ließ ihn ins Gefängnis werfen. Vor seiner Hinrichtung bat Johannes um ein letztes Wort und erzählte dem König von dem Gespräch der Raben. Als der König dies hörte, rief er um Gnade, doch es war zu spät – Johannes war bereits zu Stein geworden.
“O mein getreuster Johannes, Gnade! Gnade!” Aber der treue Johannes war bei dem letzten Wort, das er geredet hatte, leblos herabgefallen, und war ein Stein. Darüber trug nun der König und die Königin großes Leid.
Das Opfer des Königs und die Erlösung des treuen Johannes
Der König ließ die Steinfigur in seine Schlafkammer stellen und trauerte jeden Tag um seinen treuen Diener. Jahre vergingen, und die Königin gebar Zwillinge, zwei Söhne, die zur Freude des Königspaares heranwuchsen.
Eines Tages, als der König wieder traurig die Steinfigur betrachtete, begann diese zu sprechen: Johannes könne wieder lebendig werden, wenn der König bereit wäre, das Liebste zu opfern, was er besitze. Er müsse seinen beiden Kindern eigenhändig die Köpfe abschlagen und Johannes mit ihrem Blut bestreichen.
Da fieng der Stein an zu reden und sprach “ja, du kannst mich wieder lebendig machen, wenn du dein Liebstes daran wenden willst”. Da rief der König “alles, was ich auf der Welt habe, will ich für dich hingeben”.
Obwohl es ihm das Herz zerriss, entschied sich der König, aus Dankbarkeit für Johannes' Treue dieses Opfer zu bringen. Er schlug seinen Söhnen die Köpfe ab und bestrich mit ihrem Blut den Stein. Sofort wurde Johannes wieder lebendig und dankte dem König für seine Treue.
Als Belohnung für diese Treue nahm Johannes die Köpfe der Kinder, setzte sie wieder auf und bestrich die Wunden mit ihrem Blut. Im selben Augenblick wurden die Kinder wieder lebendig und spielten fröhlich weiter, als wäre nichts geschehen. Der König versteckte Johannes und die Kinder in einem Schrank.
Als die Königin von der Kirche zurückkehrte, eröffnete ihr der König, dass sie Johannes das Leben zurückgeben könnten, aber dafür ihre Kinder opfern müssten. Die Königin erklärte sich bereit, dieses Opfer zu bringen. Da öffnete der König den Schrank und zeigte ihr die lebendigen Kinder und den treuen Johannes. Sie alle lebten fortan glücklich bis an ihr Ende.