Die kluge Else (Grimm)
Kurze Zusammenfassung
Ein deutsches Dorf, vermutlich im Mittelalter. Die Eltern einer jungen Frau wollten ihre Tochter verheiraten. Ein Mann namens Hans kam von weit her und wollte die kluge Else zur Frau nehmen, aber nur, wenn sie wirklich klug wäre.
Als Else Bier aus dem Keller holen sollte, entdeckte sie eine Kreuzhacke an der Wand und begann zu weinen. Sie stellte sich vor, dass sie später mit Hans ein Kind haben könnte, das von der Hacke erschlagen würde. Nacheinander gingen alle Hausbewohner in den Keller und weinten mit ihr. Hans war von Elses Klugheit beeindruckt und heiratete sie.
Später schickte Hans Else aufs Feld zum Kornschneiden, doch sie aß und schlief stattdessen. Als sie nicht heimkam, hängte Hans ihr im Schlaf ein Vogelgarn mit Schellen um. Als Else erwachte, war sie verwirrt und wusste nicht mehr, wer sie war.
Sie lief vor ihre Hausthüre, aber die war verschlossen: da klopfte sie an das Fenster und rief “Hans, ist die Else drinnen?” “Ja”, antwortete der Hans, “sie ist drinnen.” Da erschrak sie und sprach “ach Gott, dann bin ichs nicht”, und ging fort.
Else lief zum Dorf hinaus, und niemand sah sie je wieder.
Ausführliche Zusammenfassung
Die Aufteilung in Kapitel ist redaktionell.
Einführung von Else und Hans' Bedingung für die Heirat
Ein Ehepaar hatte eine erwachsene Tochter namens Else, die sie verheiraten wollten. Eines Tages kam ein Mann namens Hans von weit her und hielt um Elses Hand an. Er stellte jedoch eine Bedingung: Else müsse wirklich klug sein.
“O”, sprach der Vater, “die hat Zwirn im Kopf”, und die Mutter sagte “ach, die sieht den Wind auf der Gasse laufen und hört die Fliegen husten.”
Else im Keller - die Entdeckung der Kreuzhacke und ihre Sorgen
Als die Familie mit Hans zu Tisch saß, schickte die Mutter Else in den Keller, um Bier zu holen. Else nahm einen Krug und ging hinunter. Um sich die Zeit zu vertreiben, klapperte sie unterwegs mit dem Deckel. Im Keller stellte sie einen Stuhl vor das Fass, damit sie sich nicht bücken musste und ihrem Rücken nicht schadete.
Während das Bier in den Krug lief, schaute Else an die Decke und entdeckte eine Kreuzhacke, die Maurer dort versehentlich zurückgelassen hatten. Da begann sie zu weinen und stellte sich vor, dass sie eines Tages Hans heiraten, ein Kind bekommen und dieses Kind in den Keller schicken würde, um Bier zu zapfen. Dann könnte die Kreuzhacke herunterfallen und das Kind töten.
Da fieng die kluge Else an zu weinen und sprach “wenn ich den Hans kriege, und wir kriegen ein Kind, und das ist groß, und wir schicken das Kind in den Keller, daß es hier soll Bier zapfen, so fällt ihm die Kreuzhacke auf den Kopf und schlägts todt”.
Die Reaktion der Familie auf Elses Ängste
Oben warteten alle auf Else und das Bier. Als sie nicht zurückkam, schickte die Mutter die Magd in den Keller, um nach ihr zu sehen. Die Magd fand Else weinend vor dem Fass sitzen und fragte nach dem Grund. Else erklärte ihr ihre Sorge wegen der Kreuzhacke und des ungeborenen Kindes. Daraufhin setzte sich die Magd zu ihr und begann ebenfalls zu weinen.
Als die Magd nicht zurückkehrte, schickte der Vater den Knecht in den Keller. Auch er ließ sich von Elses Sorgen anstecken und begann zu weinen. Dann ging die Mutter selbst hinunter und schloss sich ebenfalls dem Wehklagen an.
Schließlich ging auch der Vater in den Keller und erfuhr von der Sorge um das ungeborene Kind. Auch er setzte sich zu den anderen und weinte mit ihnen.
Hans' Entscheidung, Else trotz ihrer seltsamen Denkweise zu heiraten
Hans wartete lange allein oben. Als niemand zurückkam, dachte er, sie würden unten auf ihn warten, und ging ebenfalls in den Keller. Dort fand er alle fünf jammernd vor. Als er nach dem Grund fragte, erklärte Else ihm ihre Sorge um ihr zukünftiges Kind und die Kreuzhacke.
Hans war von Elses Voraussicht beeindruckt und entschied, dass ihre Art zu denken genau das war, was er für seinen Haushalt brauchte. Er nahm sie bei der Hand, führte sie nach oben und heiratete sie.
“Nun”, sprach der Hans, “mehr Verstand ist für meinen Haushalt nicht nöthig: weil du so eine kluge Else bist, so will ich dich haben”, packte sie bei der Hand und nahm sie mit hinauf und hielt Hochzeit mit ihr.
Elses Versäumnis, das Korn zu schneiden, und Hans' List
Nach einiger Zeit sagte Hans zu Else, er wolle ausgehen und arbeiten, um Geld zu verdienen. Sie solle aufs Feld gehen und das Korn schneiden, damit sie Brot hätten. Else versprach, das zu tun. Sie kochte sich einen Brei und nahm ihn mit aufs Feld.
Auf dem Feld überlegte Else, ob sie zuerst essen oder schneiden sollte, und entschied sich fürs Essen. Nachdem sie satt war, fragte sie sich, ob sie nun schneiden oder schlafen sollte, und entschied sich fürs Schlafen. So legte sie sich ins Korn und schlief ein.
Als sie vor den Acker kam, sprach sie zu sich selbst “was thu ich? schneid ich ehr, oder eß ich ehr? hei, ich will erst essen”. Nun aß sie ihren Topf mit Brei aus, und als sie dick satt war, sprach sie wieder “was thu ich? schneid ich ehr, oder schlaf ich ehr? hei, ich will erst schlafen”.
Hans kam nach Hause, aber Else war nicht da. Er dachte, sie sei so fleißig, dass sie nicht einmal zum Essen nach Hause komme. Als es Abend wurde und sie immer noch nicht zurückkehrte, ging Hans aufs Feld und fand sie schlafend im Korn. Er holte ein Vogelgarn mit kleinen Schellen, hängte es um sie herum, ging nach Hause und schloss die Haustür zu.
Elses Identitätskrise und ihr Verschwinden
Als es dunkel wurde, erwachte Else. Bei jedem Schritt, den sie machte, klingelten die Schellen. Sie erschrak und wurde unsicher, ob sie wirklich die kluge Else sei oder nicht. Sie konnte die Frage nicht beantworten und beschloss, nach Hause zu gehen und dort zu fragen, ob sie es sei oder nicht.
Da erschrak sie, ward irre, ob sie auch wirklich die kluge Else wäre und sprach “bin ichs, oder bin ichs nicht?” Sie wußte aber nicht, was sie darauf antworten sollte und stand eine Zeitlang zweifelhaft.
Als Else an ihre Haustür kam, war diese verschlossen. Sie klopfte ans Fenster und fragte: "Hans, ist die Else drinnen?" Hans antwortete: "Ja, sie ist drinnen." Da erschrak Else und dachte, wenn die Else drinnen ist, dann kann sie es nicht sein. Sie ging zu anderen Türen, aber wegen des Klingelns der Schellen wollte niemand öffnen. Schließlich lief sie aus dem Dorf hinaus, und niemand hat sie je wiedergesehen.