Merkwürdige Gespenstergeschichte (Hebel)
Sehr kurze Zusammenfassung
Im 18. oder frühen 19. Jahrhundert reiste ein fremder Herr abends durch Schliengen auf dem Weg nach Dänemark zum König. Da im Gasthaus kein Platz war, ging er mutig und unbeeindruckt von Warnungen in ein angeblich von Gespenstern bewohntes Schloss.
Um Mitternacht erschien ihm ein bedrohliches Gespenst namens Mephistopholes. Der Herr blieb tapfer und drohte mit einer Pistole, woraufhin das Gespenst sich zurückzog. Er folgte ihm vorsichtig, um die Sache zu erkunden.
Als aber der Herr noch ein paar Schritte weiter gehen wollte, um zu sehen, wo er hingekommen, hörte auf einmal unter seinen Füßen der Boden auf, und er fiel durch ein Loch hinab, aus welchem ihm Feuerglast entgegen kam.
Er landete dann bei einer Gruppe von Falschmünzern, die, um ungestört zu bleiben, Leute durch Gespenstererscheinungen abzuschrecken versuchten. Die Betrüger planten zunächst seinen Tod, ließen ihn aber frei, nachdem er schwieg, und schickten ihm später wertvolle Geschenke für seine Verschwiegenheit.
Ausführliche Zusammenfassung
Die Einteilung in Kapitel ist redaktionell.
Die Ankunft des Reisenden und die Warnungen vor dem Schloss
Ein fremder Herr reiste durch Schliengen und erzählte einem Grenzacher eine seltsame Geschichte. Als er ein halbes Jahr zuvor nach Dänemark unterwegs war, kam er abends in einen Flecken, wo ein schönes Schloss auf einer Anhöhe stand. Im Wirtshaus gab es keinen Platz mehr für ihn, da bereits drei Scharfrichter dort übernachteten.
Der Wirt warnte ihn vor dem Schloss, da dort seit der Abreise des Besitzers vor einem Vierteljahr Gespenster ihr Unwesen trieben. Weder der Schlossvögt noch das Gesinde konnten dort bleiben, und niemand, der das Schloss betreten hatte, wagte es ein zweites Mal. Trotz der Warnungen bestand der fremde Herr darauf, im Schloss zu übernachten.
Darüber lächelt der fremde Herr; denn er war ein herzhafter Mann, der nichts auf die Gespenster hielt, und sagt: »Ich will's probieren.« Trotz aller Widerrede mußte ihm der Wirt den Schlüssel geben.
Die Erscheinung des Mephistopholes um Mitternacht
Im Schloss bereitete sich der fremde Herr auf die Begegnung mit Gespenstern vor. Er legte zwei geladene Pistolen auf den Tisch, zündete Kerzen an und las im Rheinländischen Hausfreund, der an einem roten Seidenband unter dem Spiegel hing. Lange Zeit geschah nichts.
Als die Kirchturmuhr Mitternacht schlug, ein Gewitter über das Schloss zog und Regentropfen an die Fenster schlugen, klopfte es dreimal stark an die Tür. Eine fürchterliche Gestalt trat ein, mit schwarzen schielenden Augen, einer langen Nase, fletschenden Zähnen und einem Bocksbart, am ganzen Leib zottig.
Mit fürchterlicher Stimme brummte die Gestalt: "Ich bin der Großherr Mephistopholes. Willkomm in meinem Palast! Und habt Ihr auch Abschied genommen von Frau und Kind?" Dem fremden Herrn lief ein kalter Schauer über den Rücken, und sein Bedienter war vor Angst erstarrt.
Die Verfolgung des Geistes und der Sturz durch die Falltür
Als Mephistopholes mit seltsamen Schritten auf den fremden Herrn zukam, stand dieser mutig auf und hielt ihm die Pistolen entgegen: "Halt oder ich schieß'!" Überraschenderweise zeigte das Gespenst Respekt vor den Waffen, hob drohend den Zeigefinger und verließ langsam den Raum.
Der fremde Herr, nun überzeugt, dass keine Gefahr mehr bestand, nahm ein Licht und folgte dem Gespenst, während sein Bedienter aus dem Schloss floh, um lieber bei den Scharfrichtern zu übernachten. Plötzlich verschwand das Gespenst vor den Augen des Verfolgers, als wäre es in den Boden geschlüpft.
Als der Herr noch einige Schritte weitergehen wollte, gab der Boden unter seinen Füßen nach, und er fiel durch ein Loch, aus dem ihm Feuerglanz entgegenkam. Nach einem Sturz von etwa zehn Fuß landete er unverletzt auf einem Heuhaufen in einem unterirdischen Gewölbe.
Die Entdeckung der Falschmünzer im Kellergewölbe
Im Gewölbe sah der fremde Herr sechs seltsame Gesellen um ein Feuer herum, und auch Mephistopholes war anwesend. Allerlei merkwürdige Geräte lagen umher, und auf zwei Tischen türmten sich funkelnde Rößleintaler. Da erkannte der Fremde die Wahrheit: Es handelte sich um eine Bande von Falschmünzern.
Da merkte der Fremde, wie er daran war. Denn das war eine heimliche Gesellschaft von Falschmünzern, so alle Fleisch und Bein hatten. Diese benutzten die Abwesenheit des Zwingherrn, legten in seinem Schloß ihre verborgenen Münzstöcke an.
Die Falschmünzer nutzten die Abwesenheit des Schlossbesitzers und hatten den Gespensterlärm inszeniert, um ungestört arbeiten zu können. Vermutlich waren sogar einige der Schlossbediensteten an dem Betrug beteiligt. Jeder, der ins Schloss kam, wurde so erschreckt, dass er nie wieder zurückkehrte.
Die Gefangenschaft und der Schwur der Verschwiegenheit
Der fremde Herr bereute nun seine Unvorsichtigkeit und dass er nicht auf die Warnungen des Wirts gehört hatte. Die Falschmünzer schoben ihn durch ein enges Loch in ein finsteres Verlies und berieten, was mit ihm geschehen sollte. Einige wollten ihn töten und verscharren.
Schließlich beschlossen sie, ihn zu verhören. Als sie erfuhren, dass er ein vornehmer Herr auf dem Weg zum König nach Kopenhagen war, wurden sie besorgt. Sie fürchteten, dass sein Verschwinden Aufmerksamkeit erregen und zu ihrer Entdeckung führen könnte.
Die Falschmünzer boten dem Gefangenen Pardon an, wenn er schwören würde, nichts zu verraten. Sie drohten, ihn in Kopenhagen beobachten zu lassen, und ließen sich seine Adresse geben. Der fremde Herr sagte, er wohne neben dem Wilden Mann, linker Hand in dem großen Haus mit grünen Läden.
Aber der Reisende dachte: Ein Eid ist ein Eid, und um sein Leben zu retten, muß man den Namen Gottes nicht mißbrauchen, wenn man's nicht halten will. Deswegen sagte er nichts.
Die wertvollen Geschenke als Dank für das Schweigen
Nach seinem Schwur schenkten die Falschmünzer dem fremden Herrn Burgunderwein und ließen ihn zusehen, wie sie bis zum Morgen Rößleintaler prägten. Als der Tag anbrach, verabschiedete er sich und kehrte ins Wirtshaus zurück, ohne seine Uhr, Tabakspfeife und Pistolen mitzunehmen.
Der Wirt war erleichtert, ihn wiederzusehen, und fragte nach seinen Erlebnissen. Doch der Reisende hielt seinen Eid und schwieg. Auch in Kopenhagen sprach er mit niemandem über das Erlebte.
Einige Wochen später erhielt er ein Kistchen mit wertvollen Geschenken: silberbeschlagene Pistolen, eine goldene Uhr mit Diamanten, eine türkische Tabakspfeife mit goldener Kette und eine mit Gold bestickte Tabaksblase. Ein Brieflein lag bei, in dem stand, dass dies ein Dank für den ausgestandenen Schrecken und seine Verschwiegenheit sei. Da alles vorbei war, durfte er nun die Geschichte erzählen.
So erzählte der Herr die Geschichte dem Grenzacher. Die erwähnte Uhr war dieselbe, die er auf dem Berg herauszog, um zu prüfen, ob die Hertinger Uhr richtig ging. Später bot ihm ein französischer General im Storken zu Basel 75 Dublonen für die Uhr, aber er gab sie nicht her.