Schneeweißchen und Rosenroth (Grimm)
Sehr kurze Zusammenfassung
Ein kleines Häuschen am Waldrand, Zeit: märchenhafte Vergangenheit. Eine arme Witwe lebte mit ihren zwei Töchtern, Schneeweißchen und Rosenroth. Vor ihrem Haus wuchsen zwei Rosenbäumchen, eines mit weißen, das andere mit roten Rosen.
Eines Abends klopfte ein großer schwarzer Bär an die Tür, halb erfroren und freundlich bat er um Obdach. Die sanften Mädchen gewöhnten sich schnell an ihn und spielten sorglos mit dem gutherzigen Gast. Im Frühling erklärte er, fortgehen zu müssen, um seine Schätze im Wald vor einem bösen Zwerg zu beschützen.
Beim anschließenden Holzsammeln begegneten die Schwestern mehrfach einem garstigen Zwerg, dessen Bart ständig festklemmte, woraufhin sie ihn jeweils retteten. Trotz ihrer Hilfe überhäufte er die Mädchen stets mit Schimpfwörtern. Schließlich wurden sie Zeuginnen, wie ein Adler den Zwerg forttragen wollte, griffen mutig ein und retteten ihn erneut. Doch er verhielt sich wieder undankbar.
Bald darauf ertappten sie den Zwerg, wie er auf der Heide voll Stolz seine wertvollen Edelsteine ausbreitete. Als plötzlich der schwarze Bär herbeikam, geriet der Zwerg in Panik und flehte:
Da rief er in Herzensangst “lieber Herr Bär, verschont mich, ich will euch all meine Schätze geben... da die beiden gottlosen Mädchen packt, das sind für euch zarte Bissen, fett wie junge Wachteln, die freßt in Gottes Namen.”
Der Bär schlug den boshaften Zwerg tot, verwandelte sich daraufhin zurück in einen Königssohn und heiratete Schneeweißchen. Sein Bruder heiratete Rosenroth, und die Familie lebte glücklich mit den Schätzen des Zwerges.
Detaillierte Zusammenfassung
Die Aufteilung in Abschnitte ist redaktionell.
Die Witwe und ihre zwei Töchter
In einem kleinen Hüttchen lebte eine arme Witwe mit ihren zwei Töchtern. Vor dem Haus stand ein Garten mit zwei Rosenbäumchen, eines mit weißen und eines mit roten Rosen. Nach diesen Rosen waren die Töchter benannt: Schneeweißchen und Rosenroth.
Die beiden Kinder hatten einander so lieb, daß sie sich immer an den Händen faßten, so oft sie zusammen ausgiengen: und wenn Schneeweißchen sagte “wir wollen uns nicht verlassen”, so antwortete Rosenroth “so lange wir leben nicht”
Die Mädchen hielten das Hüttchen sauber. Im Sommer besorgte Rosenroth das Haus und stellte der Mutter jeden Morgen einen Blumenstrauß mit je einer Rose von jedem Bäumchen vors Bett. Im Winter zündete Schneeweißchen das Feuer an und hing den blankgeputzten Messingkessel über die Flammen. Abends las die Mutter aus einem großen Buch vor, während die Mädchen zuhörten und spannen. Ein Lämmchen lag zu ihren Füßen und ein weißes Täubchen saß auf einer Stange hinter ihnen.
Der Bär kommt zu Besuch
Eines Abends klopfte es an die Tür. Die Mutter schickte Rosenroth, um zu öffnen, da sie einen Wanderer vermutete. Stattdessen steckte ein großer schwarzer Bär seinen Kopf zur Tür herein. Rosenroth schrie erschrocken auf, das Lämmchen blökte, das Täubchen flatterte und Schneeweißchen versteckte sich hinter dem Bett der Mutter.
Der Bär aber fieng an zu sprechen und sagte “fürchtet euch nicht, ich thue euch nichts zu leid, ich bin halb erfroren und will mich nur ein wenig bei euch wärmen”. “Du armer Bär”, sprach die Mutter, “leg dich ans Feuer”
Die Mutter rief ihre Kinder zurück und versicherte ihnen, dass der Bär ihnen nichts tun würde. Die Mädchen kamen näher, und auch das Lämmchen und das Täubchen verloren ihre Angst. Der Bär bat die Kinder, den Schnee aus seinem Fell zu klopfen. Sie holten einen Besen und reinigten sein Fell. Bald wurden sie vertraut mit ihm und spielten ausgelassen mit ihrem unbeholfenen Gast. Sie zausten sein Fell, setzten ihre Füße auf seinen Rücken und wälzten ihn hin und her. Der Bär ließ alles mit sich geschehen und brummte nur, wenn sie es zu wild trieben.
Als es Zeit zum Schlafengehen war, erlaubte die Mutter dem Bären, am Herd zu bleiben, um sich vor der Kälte zu schützen. Am Morgen ließen die Kinder ihn hinaus, und er trabte über den Schnee in den Wald. Von da an kam der Bär jeden Abend zur gleichen Stunde, legte sich an den Herd und ließ die Kinder mit ihm spielen. Sie gewöhnten sich so an ihn, dass die Tür erst verriegelt wurde, wenn er eingetroffen war.
Die erste Begegnung mit dem Zwerg
Als der Frühling kam, sagte der Bär zu Schneeweißchen, dass er nun fortgehen und den ganzen Sommer nicht wiederkommen könne. Er müsse seine Schätze vor den bösen Zwergen hüten, die im Winter unter der gefrorenen Erde bleiben müssten, aber im Sommer, wenn die Sonne die Erde erwärmt hatte, nach oben kämen, um zu stehlen. Schneeweißchen war traurig über den Abschied. Als der Bär durch die Tür ging, blieb er am Türhaken hängen und ein Stück seiner Haut riss auf. Schneeweißchen meinte, Gold darunter schimmern zu sehen, war sich aber nicht sicher. Der Bär lief eilig fort und verschwand bald zwischen den Bäumen.
Einige Zeit später schickte die Mutter die Kinder in den Wald, um Reisig zu sammeln. Sie fanden einen großen gefällten Baum, und auf dem Stamm hüpfte etwas auf und ab. Als sie näher kamen, sahen sie einen Zwerg mit altem, verwelktem Gesicht und ellenlangem, schneeweißem Bart. Das Ende des Bartes war in einer Spalte des Baumes eingeklemmt, und der Kleine sprang hin und her wie ein Hündchen an einem Seil.
Der Zwerg schimpfte die Mädchen an, als sie fragten, was passiert sei. Er erklärte, dass er den Baum spalten wollte, um Brennholz zu bekommen. Der Keil war herausgesprungen, und der Baum hatte sich so schnell geschlossen, dass sein Bart eingeklemmt wurde. Die Kinder versuchten zu helfen, aber der Bart steckte zu fest. Schließlich holte Schneeweißchen ihre Schere und schnitt das Ende des Bartes ab. Sobald der Zwerg frei war, griff er nach einem Sack mit Gold, der zwischen den Wurzeln versteckt war, und ging davon, ohne den Mädchen zu danken.
Der Zwerg beim Fischen
Einige Zeit später wollten Schneeweißchen und Rosenroth Fische angeln. Am Bach sahen sie etwas, das wie eine große Heuschrecke aussah und zum Wasser hüpfte. Sie erkannten den Zwerg, der in Schwierigkeiten steckte. Der Wind hatte seinen Bart mit der Angelschnur verflochten, und als ein großer Fisch angebissen hatte, fehlte dem Zwerg die Kraft, ihn herauszuziehen. Der Fisch zog den Zwerg zum Wasser hin.
Die Mädchen kamen rechtzeitig, hielten den Zwerg fest und versuchten, seinen Bart von der Schnur zu befreien. Da dies nicht gelang, holten sie wieder die Schere und schnitten ein Stück des Bartes ab. Der Zwerg war wütend, dass sie sein Gesicht “geschändet” hatten. Er nahm einen Sack mit Perlen, der im Schilf lag, und verschwand hinter einem Stein, ohne sich zu bedanken.
Die Rettung des Zwergs vor dem Adler
Bald darauf schickte die Mutter die beiden Mädchen in die Stadt, um Zwirn, Nadeln, Schnüre und Bänder zu kaufen. Ihr Weg führte über eine Heide mit großen Felsbrocken. Dort sahen sie einen Raubvogel, der über ihnen kreiste und schließlich in der Nähe eines Felsens niederstieß. Sie hörten einen durchdringenden Schrei und liefen hinzu.
Mit Schrecken sahen sie, dass ein Adler ihren Bekannten, den Zwerg, gepackt hatte und forttragen wollte. Die mitleidigen Kinder hielten den Zwerg fest und zerrten so lange, bis der Adler seine Beute losließ. Als der Zwerg sich von seinem Schrecken erholt hatte, schimpfte er die Mädchen aus, weil sie an seinem Röckchen gerissen und es zerrissen hätten. Dann nahm er einen Sack mit Edelsteinen und verschwand in seiner Höhle unter dem Felsen. Die Mädchen waren an seinen Undank gewöhnt und setzten ihren Weg fort.
Die letzte Begegnung und der Tod des Zwergs
Auf dem Heimweg kamen die Mädchen wieder über die Heide und überraschten den Zwerg, der auf einem sauberen Platz seinen Sack mit Edelsteinen ausgeschüttet hatte. Die Steine glänzten in der Abendsonne in allen Farben. Als der Zwerg die Kinder bemerkte, wurde er zornig und wollte sie beschimpfen.
Die Mädchen waren an seinen Undank schon gewöhnt, setzten ihren Weg fort und verrichteten ihr Geschäft in der Stadt. Als sie beim Heimweg wieder auf die Heide kamen, überraschten sie den Zwerg, der auf einem reinlichen Plätzchen seinen Sack mit Edelsteinen ausgeschüttet
In diesem Moment ertönte ein lautes Brummen, und ein schwarzer Bär trabte aus dem Wald. Erschrocken sprang der Zwerg auf, konnte aber nicht mehr zu seinem Versteck gelangen. In seiner Angst flehte er den Bären an, ihn zu verschonen und stattdessen die beiden Mädchen zu fressen, die wie junge Wachteln seien. Der Bär kümmerte sich nicht um seine Worte, gab dem boshaften Zwerg einen einzigen Schlag mit der Tatze und tötete ihn.
Die Verwandlung des Bären und Hochzeit
Die Mädchen waren fortgelaufen, aber der Bär rief ihnen nach, sie sollten sich nicht fürchten und auf ihn warten. Sie erkannten seine Stimme und blieben stehen. Als der Bär sie erreichte, fiel plötzlich die Bärenhaut ab, und vor ihnen stand ein schöner Mann in goldenen Kleidern.
“Ich bin eines Königs Sohn”, sprach er, “und war von dem gottlosen Zwerg, der mir meine Schätze gestohlen hatte, verwünscht als ein wilder Bär in dem Walde zu laufen, bis ich durch seinen Tod erlöst würde. Jetzt hat er seine wohlverdiente Strafe empfangen.”
Schneeweißchen heiratete den Königssohn und Rosenroth seinen Bruder. Sie teilten die großen Schätze, die der Zwerg in seiner Höhle angesammelt hatte. Die alte Mutter lebte noch viele Jahre glücklich bei ihren Kindern. Die zwei Rosenbäumchen nahm sie mit, und sie standen vor ihrem Fenster und trugen jedes Jahr die schönsten Rosen, weiß und rot.
Die zwei Rosenbäumchen aber nahm sie mit, und sie standen vor ihrem Fenster und trugen jedes Jahr die schönsten Rosen, weiß und roth.