Woyzeck (Büchner)
Kurze Zusammenfassung
Deutsche Stadt, vermutlich frühes 19. Jahrhundert. Der einfache Soldat Franz Woyzeck arbeitete hart, um seine Geliebte Marie und ihr gemeinsames uneheliches Kind zu ernähren.
Marie litt unter Armut und Langeweile und ließ sich mit dem attraktiven Tambourmajor ein.
Der psychisch instabile Woyzeck wurde zusätzlich vom Hauptmann moralisch gedemütigt und vom Doktor, der ihn zu medizinischen Experimenten zwang, physisch und psychisch missbraucht. Durch seinen wachsenden Verdacht wurde Woyzeck zunehmend von inneren Stimmen geplagt und verfiel in Obsession und Wahnvorstellungen.
Als Woyzeck Marie mit dem Tambourmajor tanzen sah, wurden seine Eifersucht und Verzweiflung unerträglich. Von inneren Stimmen getrieben, hörte er:
Immer zu! immer zu! Still Musik! *Reckt sich gegen den Boden.* Ha was, was sagt ihr? Lauter, lauter, – stich, stich die Zickwolfin todt? stich, stich die Zickwolfin todt. Soll ich? Muß ich?
Getrieben von diesen Stimmen ermordete er Marie mit dem Messer. Danach versuchte Woyzeck verzweifelt, Beweise zu vernichten, scheiterte jedoch und wurde entdeckt. Gequält von Schuld und Erinnerung ließ sich Woyzeck von seinem Schicksal überwältigen und musste Tragik und Wahnsinn erliegen.
Ausführliche Zusammenfassung
Die Einteilung in Kapitel ist redaktionell. Der ursprüngliche Text besteht aus verschiedenen Fragmenten und Entwürfen, da Büchner das Drama vor seinem Tod nicht vollenden konnte. Diese Zusammenfassung orientiert sich an gängigen Rekonstruktionen des Stücks.
Einführung in Woyzecks Welt und seine Beziehung zu Marie
Das Drama beginnt mit Szenen, die Woyzecks prekäre Lebenssituation darstellen. Woyzeck und sein Kamerad Andres schneiden Stöcke im Gebüsch, während Woyzeck von seltsamen Visionen heimgesucht wird. Er spricht von einem Streif über dem Gras, wo ein Kopf rollt, und von den Freimaurern, die unter der Erde wühlen. Woyzeck ist überzeugt, dass etwas Unheimliches vor sich geht, während Andres seine Ängste nicht ernst nimmt.
In der Stadt lebt Marie, Woyzecks Geliebte, mit ihrem gemeinsamen unehelichen Kind. Als der Zapfenstreich mit dem Tambour-Major vorbeizieht, bewundert Marie den stattlichen Soldaten. Ihre Nachbarin Margreth bemerkt Maries glänzende Augen, was zu einem Streit zwischen den Frauen führt. Marie beschimpft Margreth als Luder, während diese Marie vorwirft, sie würde "sieben Paar lederne Hosen durchgucken". Nach dem Streit singt Marie ihrem Kind ein Lied vor.
Woyzecks Ausbeutung durch den Hauptmann und den Doktor
Woyzeck verdient seinen Lebensunterhalt nicht nur als Soldat, sondern auch durch Nebentätigkeiten. Er rasiert seinen Hauptmann, der ihn während dieser Tätigkeit mit philosophischen Betrachtungen über Zeit, Moral und Tugend quält. Der Hauptmann verspottet Woyzeck wegen seines unehelichen Kindes und seiner fehlenden Moral. Woyzeck verteidigt sich mit dem Hinweis auf seine Armut: "Wir arme Leut. Sehn Sie, Herr Hauptmann, Geld, Geld!"
Wir arme Leut. Sehn Sie, Herr Hauptmann, Geld, Geld. Wer kein Geld hat. Da setz eimal einer seinsgleichen auf die Moral in die Welt. Man hat auch sein Fleisch und Blut. Unseins ist doch einmal unseelig.
Neben dem Hauptmann wird Woyzeck auch vom Doktor ausgebeutet, der ihn für pseudowissenschaftliche Experimente missbraucht. Der Doktor zwingt Woyzeck, ausschließlich Erbsen zu essen und seinen Urin für die Forschung aufzubewahren. Als Woyzeck einmal auf die Straße uriniert, macht der Doktor ihm heftige Vorwürfe und belehrt ihn über die Willensfreiheit des Menschen. Woyzeck versucht sich mit Hinweisen auf die Natur zu verteidigen, doch der Doktor verhöhnt ihn weiter.
Woyzeck, der Mensch ist frei, im Menschen verklärt sich die Individualität zur Freiheit. Den Harn nicht halten können! *Schüttelt den Kopf, legt die Hände auf den Rücken und geht auf und ab.*
Maries Untreue mit dem Tambour-Major
Während Woyzeck unter den Demütigungen seiner Vorgesetzten leidet und hart arbeitet, um Marie und das Kind zu versorgen, beginnt Marie eine Affäre mit dem Tambour-Major. In einer Szene besucht der Tambour-Major Marie in ihrer Wohnung. Er prahlt mit seiner männlichen Erscheinung: "Wenn ich am Sonntag erst den großen Federbusch hab' und die weiße Handschuh, Donnerwetter, Marie, der Prinz sagt immer: Mensch, Er ist ein Kerl." Marie ist beeindruckt von seiner Stärke und seinem Selbstbewusstsein.
Als Zeichen ihrer Zuneigung schenkt der Tambour-Major Marie Ohrringe. Woyzeck bemerkt diese bei einem Besuch und fragt misstrauisch, woher sie stammen. Marie behauptet, sie hätte die Ohrringe gefunden. Woyzeck durchschaut die Lüge, gibt ihr dennoch sein verdientes Geld und geht. Allein zurückgeblieben, quälen Marie Schuldgefühle: "Ich bin doch ein schlecht Mensch. Ich könnt' mich erstechen."
Woyzecks Verdacht verstärkt sich, als er Marie und den Tambour-Major beim Tanzen beobachtet. Versteckt vor einem Wirtshaus, sieht er durch das Fenster, wie die beiden eng miteinander tanzen. Die Szene quält ihn: "Immer zu! – Immer zu! – Hisch! hasch, so gehn die Geigen und die Pfeifen. – Immer zu! immer zu!" Der Narr, der neben ihm steht, behauptet, Blut zu riechen, was Woyzecks wachsende Mordgedanken symbolisiert.
Woyzecks wachsende Paranoia und Wahnvorstellungen
Woyzecks psychischer Zustand verschlechtert sich zunehmend. Er wird von Halluzinationen und paranoiden Wahnvorstellungen geplagt. In Gesprächen mit seinem Freund Andres berichtet er von beunruhigenden Visionen und Stimmen, die ihn verfolgen. Nachts kann er nicht schlafen und wird von Albträumen heimgesucht, in denen er ein Messer sieht, das zwischen seinen Augen liegt.
Ich hab kei Ruh! Ich hör's immer, wie's geigt und springt, immer zu! immer zu! Und dann wann ich die Augen zumach, da blizt es mir immer, es ist ei groß breit Messer und das liegt auf eim Tisch.
In einem Gespräch mit dem Doktor offenbart Woyzeck seine Wahrnehmung einer bedrohlichen, übernatürlichen Welt. Er beschreibt, wie er Muster und Zeichen in der Natur sieht, die für ihn eine tiefere Bedeutung haben. Der Doktor ist begeistert von Woyzecks "schöner fixer Idee" und sieht darin nur weiteres Material für seine Forschung, statt Woyzecks Leiden zu erkennen.
Wenn die Sonn im hellen Mittag steht und es ist als müsse die Welt auflodern. Hören Sie Nichts? Ich meine dann als die Welt spricht, sehen Sie, die langen Linien, und ist als ob es einen mit fürchterlicher Stimme anredete.
Als Woyzeck Marie zur Rede stellt, leugnet sie ihre Untreue. Woyzeck ist hin- und hergerissen zwischen seiner Liebe zu ihr und seinem wachsenden Misstrauen. Er betrachtet sie mit einer Mischung aus Verzweiflung und philosophischer Einsicht: "Jeder Mensch ist ein Abgrund, es schwindelt einem, wenn man hinabsieht." Seine Gedanken werden zunehmend von Gewaltfantasien beherrscht, und er hört Stimmen, die ihm zuflüstern: "Stich! Stich die Woyzecke todt!"
Jeder Mensch ist ein Abgrund, es schwindelt einem, wenn man hinabsieht. Es wäre! Sie geht wie die Unschuld. Nun Unschuld du hast ein Zeichen an dir. Weiß ich's? Weiß ich's? Wer weiß es?
Der Mord an Marie und Woyzecks innerer Kampf
Woyzecks Eifersucht und Wahnvorstellungen erreichen ihren Höhepunkt, als er in einem Wirtshaus eine Konfrontation mit dem Tambour-Major hat. Es kommt zu einem Kampf, den Woyzeck verliert. Diese Demütigung verstärkt seinen Entschluss, Marie zu töten. Er geht zu einem Juden und kauft ein Messer, wobei er andeutet, dass er damit mehr als nur Brot schneiden will.
Während Woyzeck mit seinen Mordgedanken kämpft, sucht Marie Trost in der Religion. Sie liest in der Bibel die Geschichte der Ehebrecherin, der Jesus vergeben hat. Marie ist von Schuldgefühlen geplagt und fleht um Vergebung: "Herrgott! Herrgott! Sieh mich nicht an." Sie sehnt sich danach, wie Maria Magdalena Jesu Füße mit ihren Tränen zu waschen, findet aber keinen Frieden.
»Und ist kein Betrug in seinem Munde erfunden« – Herrgott! Herrgott! Sieh mich nicht an. *Blättert weiter.* »Aber die Pharisäer brachten ein Weib zu ihm, im Ehebruch begriffen und stelleten sie in's Mittel dar.«
Woyzeck führt Marie aus der Stadt hinaus. In einer unheimlichen Szene am Waldrand spricht er wirr und bedrohlich zu ihr. Marie wird ängstlich und will fliehen, doch Woyzeck hält sie zurück. Er küsst sie und sticht dann mehrmals auf sie ein: "Nimm das und das! Kannst du nicht sterben? So! so! Ha sie zuckt noch, noch nicht, noch nicht? Immer noch?" Nach weiteren Stichen stirbt Marie. Woyzeck flieht vom Tatort, als Leute sich nähern.
Nach dem Mord ist Woyzeck von Schuldgefühlen und Paranoia geplagt. Er kehrt in ein Wirtshaus zurück und tanzt wild, als wolle er seine Tat vergessen. Als jemand Blut an seiner Hand bemerkt, versucht er es zu erklären: "Ich glaub ich hab' mich geschnitten, da an der rechten Hand." Die Anwesenden sind misstrauisch, und der Narr behauptet wieder, Menschenfleisch zu riechen. Woyzeck flieht in Panik.
Konsequenzen der Tat und Woyzecks Schicksal
Woyzeck kehrt zum Tatort zurück, um das Mordwerkzeug zu beseitigen. Er findet Maries Leiche und spricht wirr zu ihr: "Was bist du so bleich, Magreth? Was hast du eine rothe Schnur um den Hals? Bey wem hast du das Halsband verdient, mit deinen Sünden?" Er sucht verzweifelt nach dem Messer, mit dem er Marie getötet hat, und flieht erneut, als er Stimmen hört.
Um die Beweise zu vernichten, geht Woyzeck zu einem Teich, um das Messer ins Wasser zu werfen. Er bemerkt, dass der Mond rot scheint, "wie ein blutig Eisen". Zunächst wirft er das Messer nicht weit genug, dann geht er selbst in den Teich, um es weiter hinauszuwerfen. Er ist besorgt, dass das Messer gefunden werden könnte: "aber im Sommer, wenn sie tauchen nach Muscheln". Woyzeck versucht, das Blut von seiner Kleidung zu waschen.
Der Mond ist wie ein blutig Eisen! Will denn die ganze Welt es ausplaudern? Nein es liegt zu weit vorn, wenn sie sich baden, *Er geht in den Teich und wirft weit.* so jezt – aber im Sommer, wenn sie tauchen nach Muscheln.
In den letzten Szenen des Dramas wird angedeutet, dass Woyzeck gefasst und vor Gericht gestellt wird. Ein Gerichtsdiener kommentiert den Mord: "Ein guter Mord, ein ächter Mord, ein schöner Mord, so schön als man ihn nur verlangen thun kann, wir haben schon lange so kein gehabt." Der Barbier beschreibt Woyzeck als "dogmatischen Atheisten" und als "lang, hager, feig, schlecht".
In einer der letzten Szenen sieht man Woyzeck in der Kaserne, wie er seine persönlichen Gegenstände ordnet und seinem Kameraden Andres vermacht. Er liest einen religiösen Vers aus der Bibel seiner Mutter vor, der sein Leiden und seine Verzweiflung widerspiegelt. Woyzeck scheint sein Schicksal anzunehmen, während er auf seine Hinrichtung wartet. Das Drama endet offen, ohne dass Woyzecks endgültiges Schicksal explizit dargestellt wird.
Leiden sey all mein Gewinst,
Leiden sey mein Gottesdienst.
Herr wie dein Leib war roth und wund,
So laß mein Herz seyn aller Stund.
Büchners fragmentarisches Drama "Woyzeck" zeichnet das Bild eines einfachen Soldaten, der durch soziale Unterdrückung, Ausbeutung und persönliches Leid in den Wahnsinn und schließlich zum Mord getrieben wird. Die Geschichte basiert auf dem historischen Fall des Soldaten Johann Christian Woyzeck, der 1821 in Leipzig seine Geliebte erstach und dafür hingerichtet wurde. Büchner hinterlässt mit diesem Werk eine erschütternde Anklage gegen die sozialen Missstände seiner Zeit und ein zeitloses Porträt menschlicher Verzweiflung.