Schatten im Paradies (Remarque)
Kurze Zusammenfassung
New York, Anfang der 1940er Jahre. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs lebt der deutsche Journalist Robert Ross unter falschem Namen in Amerika. Seine Papiere sind gefälscht, er fühlt sich heimatlos und von der Vergangenheit gequält. Um zu überleben, nimmt er illegale Beschäftigungen an und arbeitet später als Kunstexperte für den Händler Silvers.
Robert begegnet der temperamentvollen Natascha Petrowna, einem russischstämmigen Model und Fotografin. Zwischen den beiden entwickelt sich eine leidenschaftliche und zugleich komplizierte Beziehung. Trotz gegenseitiger Zuneigung ist ihre Bindung geprägt von Unsicherheit, Geheimnissen und Eifersucht.
Robert schließt Freundschaften mit anderen Emigranten, darunter der mutige Kahn, der viele Flüchtlinge aus der Nazizeit gerettet hat, und besucht regelmäßig Emigrantentreffen. Er versucht, die Vergangenheit loszulassen, doch schreckliche Erinnerungen aus Haft und Verfolgung folgen ihm. Als ihn Alpträume verfolgen, begreift er schmerzhaft:
Ich gehöre zu ihnen, dachte ich, ich gehöre zu dieser Horde von Mördern, es war mein Volk, ganz gleich, was ich mir am Tage auch vortäuschen mochte, ganz gleich, ob sie mich gejagt und verstoßen hatten.
Nachdem enge Freunde und Gefährten wie Kahn und Betty sterben und Roberts Beziehung zu Natascha zerbricht, entschließt er sich nach Kriegsende, zurück nach Europa zu gehen. Er möchte herausfinden, was mit den Menschen geschah, die ihm einst halfen. Zurück in Deutschland erkennt Robert schockiert, dass viele frühere Nazis nun mit neuer Identität unbehelligt leben. In Europa begreift Robert erst, dass Natascha in Wahrheit das Wichtigste in seinem Leben war, jedoch ist nun alles verloren und unwiderruflich vergangen.
Detaillierte Zusammenfassung
Die Einteilung in Abschnitte ist redaktionell.
Ankunft in Amerika: Flucht und erste Verbindungen
Nach einer langen und gefährlichen Flucht durch Europa erreichte der deutsche Journalist Robert Ross New York. Er war einer von vielen Flüchtlingen, die vor dem Hitler-Regime geflohen waren. Seine Reise führte ihn von Holland über Belgien und Nordfrankreich nach Paris, dann weiter über die Pyrenäen nach Spanien, Portugal und schließlich nach Lissabon, von wo aus er mit einem Frachtdampfer nach Amerika gelangte.
Eine lange, gefährliche Flucht durch halb Europa lag hinter mir, als ich wenige Monate vor Kriegsende in New York eintraf: ein deutscher Journalist, der sich Robert Ross nannte und mit dem Paß eines Toten lebte.
In Ellis Island wurde Robert festgehalten, da seine Papiere nicht in Ordnung waren. Sein Pass lautete auf einen anderen Namen. Nach sechs Wochen erhielt er eine Aufenthaltsgenehmigung für drei Monate, in denen er sich eine Einreisegenehmigung für ein anderes Land besorgen sollte. In Ellis Island traf er einen Türken, der ihm die Adresse eines Russen namens Melikow in New York gab.
Melikow arbeitete in einem heruntergekommenen Hotel in der Nähe des Broadway. Er sprach Deutsch und nahm Robert sofort auf. Als alter Emigrant erkannte er Roberts Bedürfnisse: Unterkunft und Arbeit. Er bot ihm ein zweites Bett in seinem Zimmer an. Da Robert mit einem Touristenvisum nicht arbeiten durfte, musste er heimlich arbeiten. Er erzählte Melikow, dass er in Frankreich als Schlepper für Händler mit zweifelhaften Bildern gearbeitet hatte und zwei Jahre lang im Museum in Brüssel versteckt war, um sich vor den Deutschen zu schützen.
Neuanfang: Arbeit und erste Freundschaften
Robert lernte schnell Englisch und fand Arbeit bei den Brüdern Lowy, die einen Antiquitätenladen besaßen. Lowy senior bot ihm an, den Keller des Ladens zu durchsuchen und dafür zehn Dollar pro Tag sowie Erfolgsprämien zu erhalten. Robert entdeckte eine chinesische Bronzestatue, die sich als echt und wertvoll herausstellte.
Durch Lachmann, einen Mitbewohner im Hotel, erhielt Robert die Adresse von Harry Kahn, dessen Taten in Frankreich legendär waren. Kahn hatte als spanischer Konsul Raoul Tegnèr in der Provence vielen Emigranten das Leben gerettet, indem er spanische Blankopässe besorgte und sie in Klöstern versteckte.
Kahn bot Robert seine Hilfe an, um seinen Aufenthalt in den USA zu verlängern. Er wollte Empfehlungen von bekannten Flüchtlingen besorgen und einen Verleger kontaktieren, der an Roberts Erlebnissen interessiert war. Kahn betonte die Solidarität unter den Emigranten.
Im Hotel traf Robert auf Natascha Petrowna, eine Französin russischer Herkunft, die als Fotografin arbeitete. Ihre erste Begegnung war von gegenseitiger Abneigung geprägt. Natascha erklärte, dass sie Deutsche hasse, was Robert überraschenderweise bestätigte.
Das Leben im Exil: Zwischen Kunsthandel und Kriegsrealität
Robert besuchte einen Anwalt, um seine Aufenthaltsgenehmigung zu verlängern. Der Anwalt, der zunächst keine nicht-jüdischen Deutschen vertreten wollte, änderte seine Meinung und verlangte fünfhundert Dollar in Raten. Durch Lowy senior kam Robert zu einer Stelle bei dem Kunsthändler Silvers, der ihn als Assistenten einstellte.
Roberts Arbeit bei Silvers bestand darin, Bilder zu katalogisieren und bei Verkäufen zu helfen. Silvers erklärte ihm die Tricks des Kunsthandels, wie die vorgebliche Unverkaufsbereitschaft und das Sammlerimage. Robert lernte, wie man wohlhabende Kunden manipuliert, indem man ihnen das Gefühl gibt, ein besonderes Schnäppchen zu machen.
In dieser Zeit lernte Robert auch Betty Stein kennen, die als "Mutter der Emigranten" bekannt war. Sie half vielen Flüchtlingen und veranstaltete donnerstags einen Salon, bei dem sich Emigranten trafen. Dort erfuhr Robert vom Schicksal des Frauenarztes Doktor Gräfenheim, der in Philadelphia bei Ravic wohnte und seine medizinischen Prüfungen wiederholen musste.
Robert wurde von Alpträumen geplagt, in denen er die Schrecken der Konzentrationslager wieder erlebte. Er erinnerte sich an einen Aufseher namens März, den er wiedersehen musste, bevor er starb. Diese Erinnerungen verfolgten ihn bis nach Amerika und machten ihm das Leben schwer.
Wir sind Zuschauer, das ist wahr. Verdammte Zuschauer, die beneidet werden könnten, weil man sie nicht mitmachen lassen will. Das ist es, was unser Dasein hier schattenhaft und fast obszön macht.
Robert traf auch den wohlhabenden Emigranten Vriesländer, der seinen Namen in Warwick geändert hatte. Vriesländer hatte Glück gehabt, da er einen Teil seines Geldes bereits vor der NS-Zeit in Amerika angelegt hatte. Er feierte seine Einbürgerung mit zwei Torten: eine mit dem Namen Vriesländer, die angeschnitten wurde, und eine mit dem Namen Warwick, die ganz blieb.
Die Beziehung zu Natascha: Liebe im Schatten des Krieges
Trotz ihrer anfänglichen Abneigung entwickelte sich zwischen Robert und Natascha eine komplizierte Beziehung. Sie trafen sich immer häufiger, und Robert begleitete sie zu Fotoshootings, wo sie teure Kleider und Schmuck trug. Natascha hatte Zugang zu einem Rolls-Royce mit Chauffeur, der einem Mann gehörte, der etwas mit Außenpolitik zu tun hatte.
Ihre Beziehung war von Höhen und Tiefen geprägt. Sie stritten oft, versöhnten sich aber immer wieder. Robert war fasziniert von Nataschas Unberechenbarkeit, ihrem spitzbübischen Humor und ihrer plötzlichen Sanftheit. Er liebte ihre Bedenkenlosigkeit und ihre Fähigkeit, im Moment zu leben.
Ich schaute aus dem Fenster auf die fremde Stadt. Sie war voll ungestümer Zukunft und barg keine Erinnerung. Natascha hatte sich an mich geschmiegt. Ich liebte sie sehr. Ich liebte ihre Bedenkenlosigkeit.
Robert und Natascha verbrachten viele Nächte zusammen, entweder in seinem Hotelzimmer oder in ihrer Wohnung. Sie diskutierten über das Leben, die Liebe und die Unsicherheit ihrer Existenz als Emigranten. Natascha sagte einmal zu Robert: "Affären wie unsere sollten kurz sein." Er log, als er zustimmte.
Ihre Beziehung wurde durch die Kriegsrealität und ihre unterschiedlichen Hintergründe belastet. Robert fühlte sich als Deutscher schuldig, während Natascha als Russin ihre eigenen Traumata hatte. Dennoch fanden sie in ihrer gemeinsamen Entwurzelung eine Verbindung.
Hier bin ich ein feindlicher Ausländer und muß froh sein, daß man mich nicht in ein Internierungslager steckt. Du hast recht, ich bin weder Fisch noch Fleisch, aber so ging es mir in Europa auch. Dies ist bereits ein Paradies. Ein Schattenparadies.
Die praktischen Schwierigkeiten ihrer Beziehung wurden durch die Umstände des Exils verstärkt. Ohne eigene Wohnung mussten sie kreative Lösungen finden, um Zeit miteinander zu verbringen. Robert beklagte die Schwierigkeiten, in Amerika der Liebe zu pflegen.
Wie schwer es ist, als armer Mensch in Amerika der Liebe zu pflegen! Ohne eigenes Appartement ist es fast unmöglich. Das Land muß voll von trostlosen Onanisten sein. Wo findet der Sex nur statt?
Hollywood: Filmwelt und innere Konflikte
Silvers kündigte Robert an, dass sie zusammen nach Hollywood gehen würden, um dort Bilder zu verkaufen. Robert reagierte zurückhaltend, da er New York nicht verlassen wollte. Schließlich einigten sie sich auf eine Gehaltsaufbesserung von fünfundsiebzig Dollar, und Robert begleitete Silvers nach Kalifornien.
In Hollywood wohnte Robert im Garden of Allah, einer Anlage mit kleinen Häuschen. Er teilte sich ein Häuschen mit dem Schauspieler John Scott und fühlte sich sofort wohl. Robert empfand Hollywood als noch unwirklicher als New York, da der Krieg hier nur literarisch präsent war. Realität und Schein vermischten sich, und wer sich nicht rechtzeitig rettete, verlor seine Identität.
In Hollywood traf Robert auch Tannenbaum wieder, der in einem Antinazi-Film mitwirkte. Robert war überrascht von Tannenbaums auffälligem Outfit und seiner schnellen Anpassung an Hollywood.
Silvers versuchte erfolglos, Produzenten und Regisseure für seine Bilder zu interessieren. Er beschloss, dass Robert eine Cocktailparty in seinem Bungalow veranstalten sollte, um potenzielle Käufer anzulocken. Robert verkaufte betrunken zwei Degas-Zeichnungen an Holt, den Regisseur von Tannenbaums Film.
Holt bat Robert, als Berater für seinen Antinazi-Film zu arbeiten. Robert studierte das Drehbuch und fand es unrealistisch und an Cowboy- und Wildwestfilme angelehnt. Er versuchte, Holt das wahre Grauen zu vermitteln: den Kleinbürger, pflichtbewusst und schlau, der mit gutem Gewissen seine blutige Arbeit verrichtete. Holt konnte dies nicht begreifen, es war ihm nicht attraktiv genug und entsprach nicht dem, was er in seinen Horrorfilmen gelernt hatte.
Robert erklärte Holt, dass die Ereignisse in Deutschland nicht von Menschen angestiftet und begangen wurden, die vom Mond gekommen seien, sondern von guten Deutschen, die sich auch für gute Deutsche hielten. Er erzählte ihm von den Sklavenlagern der deutschen Industrie und den Verträgen mit den Konzentrationslagern. Holt war entsetzt und sagte, dass niemand das glauben würde, obwohl sein Land Krieg mit Deutschland führte.
In Hollywood traf Robert auch Carmen, die von Kahn geliebt wurde. Sie arbeitete als Mannequin und hatte einen Vertrag in Hollywood bekommen. Robert versuchte, sie zur Rückkehr nach New York zu bewegen, aber sie lehnte ab, da sie eine kleine Rolle in einem Film bekommen hatte und es in Hollywood warm war, während in New York Schnee lag.
Rückkehr und Abschied: Der Weg zurück nach Europa
Nach einigen Wochen in Hollywood kehrte Robert nach New York zurück. Melikow war überrascht, ihn wiederzusehen, da auch er nicht an Roberts Rückkehr geglaubt hatte. Robert bezog ein neues Zimmer im Hotel, das früher Lisa Teruel gehört hatte, die Selbstmord begangen hatte.
Robert zögerte, Natascha anzurufen, da ihre Beziehung in Kalifornien abstrakt geworden war. Als er sie schließlich traf, war ihre Begegnung von Verwirrung und Reue geprägt. Sie stritten über Roberts mangelnde Briefe und seine Veränderung. Trotz der Spannungen fanden sie wieder zueinander.
Betty Stein starb im Januar. Die letzte deutsche Offensive im Krieg hatte ihren Mut sinken lassen. Sie hatte gehofft, Berlin wiederzusehen, ein Berlin ihrer Erinnerung, das es so nicht mehr gab. Kurz darauf nahm sich Kahn das Leben. Robert fand ihn tot in seiner Wohnung. Er hatte sich erschossen.
Diese Ereignisse bestärkten Robert in seinem Entschluss, nach Deutschland zurückzukehren. Er wollte seinen Fall ordnen und Rache nehmen. Er glaubte nicht an die Gerechtigkeit der Gerichte im Nachkriegsdeutschland und wollte sich auf sich selbst verlassen. Vriesländer bot Robert tausend Dollar für einen Neuanfang in Deutschland an.
Es war nicht mehr das Gefühl eines hoffnungslosen Endes – es war das Gefühl eines hoffnungslosen Beginnens. Hoffnungslos deshalb, weil nichts wieder lebendig zu machen war. Was gefoltert, ermordet war.
Robert beschloss, Natascha erst im letzten Augenblick zu sagen, dass er zurückgeht. Als sie ihn schließlich fragte, wann er fahre, gab er zu, dass er in zwei Wochen abreisen würde. Sie stritten heftig, und Natascha warf ihm vor, sie benutzt zu haben. Robert beteuerte seine Liebe, aber Natascha sagte, dass sie ihn verlassen wollte und dass Affären wie ihre kurz sein sollten. Sie trennten sich im Streit, und Robert sah Natascha nie wieder.
Als Robert nach Europa zurückkam, fand er eine Welt vor, die er nicht mehr kannte. Er suchte nach den Mördern und nach seinem Vater. Die schwerste Enttäuschung war die Rückkehr, sie war eine Rückkehr in die Fremde, eine Rückkehr in Gleichgültigkeit, versteckten Hass und Feigheit. Niemand erinnerte sich mehr daran, zur Partei der Barbaren gehört zu haben.
Die Erde mußte schon deshalb rund sein, weil sich der Horizont verschob. Vor Jahren war Deutschland meine Heimat, dann Österreich, dann Frankreich... und immer war das Land erst dadurch zu meiner Heimat geworden, daß ich es verlassen hatte.