Schuld und Sühne (Dostojewski)
Sehr kurze Zusammenfassung
Sankt Petersburg, vermutlich 1860er-Jahre. Der verarmte frühere Student Raskolnikow plante aus Geldnot den Mord an einer alten Pfandleiherin, die er für nutzlos hielt und deren Tod er moralisch rechtfertigte. Als er sie tötete, erschlug er auch deren unvorhergesehen auftauchende Schwester Lisaweta. Danach fühlte er sich fiebrig und paranoid, seine Tat belastete ihn.
Nach dem Mord freundete sich Raskolnikow mit der armen Sonja an, die sich prostituierte, um ihre Familie zu ernähren. Sonjas Vater, Marmeladow, wurde tödlich von einer Kutsche verletzt, als Raskolnikow anwesend war. Später trafen auch seine Mutter und Schwester Dunja in Petersburg ein. Dunja war bereit, den vermögenden aber selbstsüchtigen Luschin aus finanzieller Not zu heiraten, doch Raskolnikow vereitelte ihre Verlobung.
Der Untersuchungsrichter Porfiri Petrowitsch, der psychologisch geschickt war, verdächtigte Raskolnikow, hatte aber noch keine eindeutigen Beweise. Raskolnikow gestand Sonja den Mord und erläuterte ihr seine These, dass außergewöhnliche Menschen moralische Grenzen überschreiten dürften. Tief beeindruckt bat Sonja ihn, öffentlich Buße zu tun:
"Geh sofort, gleich, stell dich auf einen Kreuzweg hin, beuge dich, küß zuerst die Erde, die du besudelt hast, dann beuge dich vor der ganzen Welt, in allen vier Richtungen und sage allen laut: 'ich habe getötet!'"
Unterdessen erfuhr der undurchsichtige Sswidrigailow, Dunjas ehemaliger Arbeitgeber, Raskolnikows Geheimnis und versuchte, Dunja zu erpressen und zu vergewaltigen. Nachdem sie ihn zurückwies, verzweifelte er und beging Selbstmord. Sonja überzeugte schließlich Raskolnikow, sich seinem Gewissen zu stellen. Er verneigte sich öffentlich und gab seine Schuld auf dem Polizeirevier zu.
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Die Titel der Teile sind redaktionell.
Teil 1. Der Mord und seine Ausführung
An einem heißen Juliabend in St. Petersburg verließ ein junger Mann seine enge Dachkammer. Rodion Romanowitsch Raskolnikow war ein verarmter ehemaliger Student, der seit Monaten in Isolation lebte und unter dem Druck seiner finanziellen Not litt. Er hatte seine Vermieterin seit langem nicht bezahlt und vermied jede Begegnung mit ihr.
Raskolnikow hatte einen finsteren Plan gefasst: Er wollte die alte Pfandleiherin Aljona Iwanowna ermorden und berauben. In einer Schenke traf er auf einen betrunkenen Beamten namens Marmeladow, der ihm sein Elend schilderte und von seiner Tochter Sonja erzählte, die sich prostituierte, um ihre Familie zu ernähren. Raskolnikow begleitete den Betrunkenen nach Hause und erlebte dort das Elend der Familie. Er hinterließ ihnen etwas Geld.
Kurz darauf erhielt Raskolnikow einen Brief seiner Mutter, in dem sie ihm mitteilte, dass seine Schwester Dunja einen wohlhabenden Mann namens Luschin heiraten wolle, um die Familie finanziell zu unterstützen. Diese Nachricht verstärkte Raskolnikows Entschluss, die Pfandleiherin zu töten. Er sah darin die Möglichkeit, seine Familie zu retten und sich selbst aus der Armut zu befreien.
"Ich könnte diese verfluchte Alte ermorden und berauben, und, glaube mir, ich täte es ohne Gewissensbisse. Für ein Leben – Tausende von Leben, gerettet vor Fäulnis und Verfall. Ein einziger Tod und hunderte Leben an seiner Statt."
Teil 2. Die Folgen und erste Ermittlungen
Nach dem Mord an der Pfandleiherin und ihrer Schwester Lisaweta, die unerwartet hinzugekommen war, verfiel Raskolnikow in einen fiebrigen Zustand. Er versteckte die Beute unter einem Stein und konnte sich kaum an die gestohlenen Gegenstände erinnern. Sein Freund Rasumichin kümmerte sich um ihn, als er krank wurde.
Raskolnikow wurde auf das Polizeirevier vorgeladen, wo er erfuhr, dass seine Vermieterin ihn wegen Mietrückständen angezeigt hatte. Während seines Besuchs hörte er zufällig, wie die Beamten über den Mord an der Pfandleiherin sprachen. Er fiel in Ohnmacht, was den Verdacht des Untersuchungsrichters Porfiri Petrowitsch weckte.
In einem Restaurant traf Raskolnikow auf den Polizeibeamten Sametow und deutete in einem fiebrigen Gespräch an, dass er wisse, wer die Pfandleiherin ermordet habe. Später besuchte er sogar den Tatort und befragte die Arbeiter, die dort renovierten, nach dem Blut. Sein seltsames Verhalten erregte weiteren Verdacht.
Auf der Straße wurde Raskolnikow Zeuge, wie Marmeladow von einer Kutsche überfahren wurde. Er half, den Sterbenden zu seiner Familie zu bringen und lernte dort Marmeladows Tochter Sonja kennen. Er gab der Familie sein letztes Geld für die Beerdigung.
Teil 3. Familiäre Begegnungen und wachsender Verdacht
Raskolnikows Mutter und Schwester trafen in St. Petersburg ein. Dunja war eine stolze, schöne junge Frau, die bereit war, sich für ihre Familie zu opfern. Raskolnikow erkannte sofort, dass Luschin ein berechnender Mann war, der Dunja nur heiraten wollte, weil sie arm und ihm dankbar sein würde.
Bei einem Treffen mit Luschin kam es zum Streit, und Raskolnikow forderte seine Schwester auf, die Verlobung zu lösen. Luschin verließ wütend das Zimmer. Rasumichin, der sich in Dunja verliebt hatte, versprach, sich um die Familie zu kümmern.
Raskolnikow besuchte Porfiri Petrowitsch, um seine bei der Pfandleiherin versetzten Gegenstände zurückzufordern. Während des Gesprächs diskutierten sie über einen Artikel, den Raskolnikow geschrieben hatte. Darin vertrat er die Theorie, dass außergewöhnliche Menschen das Recht hätten, moralische Grenzen zu überschreiten, um höhere Ziele zu erreichen.
"Meine Ansicht geht dahin, wenn die Entdeckungen von Newton und Kepler der Menschheit anders nicht bekannt werden konnten als durch den Verlust des Lebens von einem, zehn, hundert Menschen, so hätte Newton das Recht gehabt, diese zu beseitigen."
Porfiri Petrowitsch spielte ein psychologisches Spiel mit Raskolnikow und deutete an, dass er ihn verdächtigte. Ein mysteriöser Mann auf der Straße nannte Raskolnikow einen Mörder, was seine Paranoia verstärkte.
Teil 4. Geständnis vor Sonja und Sswidrigailows Erscheinen
Raskolnikow besuchte Sonja in ihrer ärmlichen Wohnung. Er war von ihrer Demut und ihrem Glauben beeindruckt. In einem emotionalen Gespräch gestand er ihr, dass er die Pfandleiherin und ihre Schwester ermordet hatte. Sonja war erschüttert, versprach ihm aber, ihn nicht zu verlassen und ihm in die Verbannung nach Sibirien zu folgen, wenn er sich stellen würde.
"Ich habe doch, Ssonja, bloß eine unnütze, häßliche, bösartige Laus ermordet. Was, ein Mensch ist eine Laus? Ich weiß es auch selbst, daß es keine Laus ist. Aber ich lüge, Ssonja, es ist alles gelogen..."
Raskolnikow erklärte, dass er die Alte getötet habe, um zu beweisen, dass er zu den außergewöhnlichen Menschen gehöre, die über dem Gesetz stehen. Doch der Mord hatte ihn nicht befreit, sondern in tiefere Verzweiflung gestürzt. Sonja las ihm auf seine Bitte hin die biblische Geschichte von der Auferweckung des Lazarus vor.
"Du meinst die Zwangsarbeit, Sibirien, Ssonja? Daß ich mich selbst anzeigen soll? Das Leiden auf sich nehmen und dadurch Erlösung finden, das sollst du." Dieser Dialog erklärt den Titel des Romans und das zentrale Thema der Sühne.
Plötzlich erschien Arkadi Iwanowitsch Sswidrigailow, ein mysteriöser Mann, der Dunjas früherer Arbeitgeber war. Er hatte sie belästigt, was zu ihrer Entlassung geführt hatte. Sswidrigailow hatte das Gespräch zwischen Raskolnikow und Sonja belauscht und kannte nun sein Geheimnis.
Sswidrigailow suchte Raskolnikow auf und bot ihm Geld an, damit er nach Amerika fliehen könne. Er wollte auch Dunja zehntausend Rubel geben, angeblich um sein früheres Verhalten wiedergutzumachen. Raskolnikow misstraute ihm und fürchtete, dass er Dunja nachstellte.
Teil 5. Luschins Intrigen und Katerina Iwanownas Tod
Luschin, gekränkt durch Dunjas Ablehnung, schmiedete einen Plan, um Raskolnikow zu diskreditieren. Bei der Gedenkfeier für Marmeladow beschuldigte er Sonja öffentlich, ihm hundert Rubel gestohlen zu haben. Er hatte das Geld heimlich in ihre Tasche gesteckt, um sie als Diebin zu entlarven und damit Raskolnikows Verbindung zu ihr zu kompromittieren.
Luschins Plan wurde jedoch von seinem Mitbewohner Lebesjatnikow durchkreuzt, der den Betrug beobachtet hatte. Raskolnikow enthüllte Luschins wahre Motive, und dieser wurde in Schande davongejagt. Dunja war nun endgültig von seiner Niedertracht überzeugt.
Katerina Iwanowna, Marmeladows Witwe, verlor nach diesem Vorfall den Verstand. Sie war eine stolze Frau aus gutem Hause, die durch Schicksalsschläge ins Elend gestürzt worden war. In ihrem Wahn führte sie ihre Kinder auf die Straße, um zu betteln und zu tanzen.
Erschöpft und krank brach sie auf der Straße zusammen und starb kurz darauf in Sonjas Zimmer. Sswidrigailow, der Zeuge ihres Todes wurde, bot an, für die Beerdigung zu zahlen und ihre Kinder in einem Waisenhaus unterzubringen. Er deutete erneut an, dass er Raskolnikows Geheimnis kannte.
Teil 6. Letzte Kämpfe und öffentliches Geständnis
Raskolnikow befand sich in einem Zustand wachsender Verzweiflung. Porfiri Petrowitsch besuchte ihn und erklärte, dass er ihn für den Mörder halte, aber noch keine Beweise habe. Er riet Raskolnikow, sich selbst anzuzeigen, um eine mildere Strafe zu erhalten. Raskolnikow war verwirrt und wusste nicht, ob er fliehen oder gestehen sollte.
Sswidrigailow lockte Dunja in seine Wohnung, indem er behauptete, Beweise für die Unschuld ihres Bruders zu haben. Dort versuchte er, sie zu vergewaltigen. Dunja wehrte sich mit einem Revolver, konnte sich aber nicht dazu durchringen, ihn zu erschießen. Sswidrigailow ließ sie gehen, erkannte, dass sie ihn niemals lieben würde, und beging später Selbstmord.
Raskolnikow besuchte seine Mutter ein letztes Mal. Sie ahnte, dass etwas Schreckliches mit ihm geschehen war, aber er konnte ihr die Wahrheit nicht sagen. Er verabschiedete sich von ihr, wissend, dass er sie wahrscheinlich nie wiedersehen würde.
Nach einem letzten Gespräch mit Dunja, in dem er seine Tat rechtfertigte, ging Raskolnikow zu Sonja. Sie gab ihm ein Kreuz und bat ihn, sich öffentlich zu seinem Verbrechen zu bekennen. Raskolnikow folgte ihrem Rat und ging zum Heumarkt, wo er sich vor den Menschen verneigte und die Erde küsste.
"Wodurch ist meine Idee dümmer, als die anderen Ideen und Theorien, die in der Welt herumschwirren? Man braucht bloß die Sache von einem unabhängigen, weiten und von den alltäglichen Einflüssen losgelösten Standpunkte zu betrachten."
Schließlich ging er zum Polizeirevier und gestand: "Ich habe damals die alte Beamtenwitwe und ihre Schwester Lisaweta mit dem Beil erschlagen und beraubt." Sonja, die ihm heimlich gefolgt war, beobachtete sein Geständnis aus der Ferne.
Epilog. Sibirien und Erlösung
Raskolnikow wurde zu acht Jahren Zwangsarbeit in Sibirien verurteilt. Das Gericht berücksichtigte mildernde Umstände: sein freiwilliges Geständnis, seine Armut und die Tatsache, dass er die Beute nicht genutzt hatte. Sonja folgte ihm nach Sibirien und besuchte ihn regelmäßig im Gefängnis.
Rasumichin heiratete Dunja, und gemeinsam kümmerten sie sich um Raskolnikows Mutter, die jedoch bald an einer Nervenkrankheit starb. Sie planten, nach fünf Jahren nach Sibirien zu ziehen, um näher bei Raskolnikow zu sein.
Im Gefängnis blieb Raskolnikow zunächst stolz und unzugänglich. Er bereute seine Tat nicht und hielt weiterhin an seiner Theorie fest. Die anderen Gefangenen mochten ihn nicht, liebten aber Sonja, die sich um alle kümmerte.
Nach einer schweren Krankheit erlebte Raskolnikow eine innere Wandlung. Am Ufer des Flusses, wo Sonja ihn besuchte, erkannte er plötzlich, dass er sie liebte. Er fiel vor ihr auf die Knie und weinte. Beide wussten, dass ihre Liebe sie durch die verbleibenden sieben Jahre der Haft tragen würde.
"In ihren Augen leuchtete ein grenzenloses Glück; sie hatte verstanden und es gab für sie keinen Zweifel mehr, daß er sie liebte, grenzenlos liebte, und daß endlich dieser Augenblick gekommen war... der völligen Auferstehung zu neuem Leben."
Raskolnikow begann, das Neue Testament zu lesen, das Sonja ihm gegeben hatte. Er erkannte, dass nicht die Dialektik, sondern das Leben selbst ihn gerettet hatte. Eine neue Geschichte begann für ihn - die Geschichte seiner allmählichen Erneuerung und Wiedergeburt.